Hörenswert: A.S. Fanning – „Mushroom Cloud“
After the fire, before the flood. A.S. Fanning geistert in der „Mushroom Cloud“ gruselig und traurig schön durch die Fieberträume eines Schwarzen Lochs.
Durch verlorene Träume und neue Anfänge, für die zwangsläufig etwas sterben muss. Ganz schon düster für einen Sommerbeginn, aber dafür mit wundervoller Baritonstimme, Orgel und einsamer Pedal Steel Guitar.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 19.5.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 1.6.23 ab 00:00 Uhr
This living young is getting old
Der irische Singer/Songwriter ist zugegeben einer unserer Lieblinge und regelmäßig gerne gesehener Gast im Musikprogramm der Radiofabrik sowie auf der Bühne im Rockhouse. Mit 12 Jahren spielte er sein erstes Konzert in einem Pub außerhalb Dublins, mit 16 hatte er eine erste Band mit eigenen Songs, die nur ein Jahr später kurz in den irischen Charts aufflackerte. 2011 zog er nach Berlin, die Musik wurde dunkler, die Instrumentierung karg. Multiinstrumental und ohne großen Hang zur Fröhlichkeit ist er einer der besten Chronisten unserer untergehenden Welt: Pessimistisch aber realistisch, verloren, aber er weiß Bescheid.
War „You Should Go Mad“ (2020), angelehnt an Moby Dick, ein Schwanken zwischen Angstzuständen und Paranoia, ist „Mushroom Cloud“, das dritte Berliner Album, wie der letzte Gig einer Rockband, während die einen schon im Delirium versinken und sich betäuben vor dem Schmerz der Welt und des Selbst, die anderen bereits auf die große Leere nach der Party starren. Das Album entstand, bis auf den Titeltrack, in einer intensiven Zeit von drei oder vier Wochen und erstmals wieder mit fester Bandbesetzung – Bernardo Sousa (E-Gitarre), Dave Adams (Orgel, Piano), Jeff Collier (Drums) und Felix Buchner (Bass). Eine Art impulsives Affektalbum, wohl die ehrlichste Form der Kommunikation eines Musikers.
Singing swedisch cowboy songs
In den Wolken der Pilze spannen sich vor uns große Melodiebögen, auf denen so einiges Platz findet, je nach Zustand und eigener Vorstellungskraft. Von einer großen, warmen Umarmung bis hin zur gefährlichen Abbruchkante. So ähnlich verläuft auch der Erzählbogen des Albums. Von unglaublich traurigen Songs und an den Schwermut der Tindersticks erinnernd („I feel bad“), bevor sich langsam aber sicher ein unerwarteter Schimmer am Horizont auftut) über euphorische, wütend-revolutionäres, rasselndem Ausbrechen („Conman“) bis hin zu ein wenig erhoffter Wärme („Pink Morning/Magic Light“), auch wenn diese nur das Ende /der Anfang des Trips oder das Ende/der Anfang des Schlafes ist.
„I don’t know if I succeded but I feel like this album is part of a similar recalibration, of discovering something on myself and become comforable in my own skin.“
A.S. Fannings „Mushroom Cloud“ ist atemraubend und verfänglich, ein Verlieren in den Fäden der Geschichte, die soeben vorbei ist und die erst erzählt werden muss. Ob ein Nüchtern-Werden, eine eskapistische Atempause, die ganze Sache einfacher macht oder ob man besser aus dem Leben aussteigen und Walfänger werden sollte („Sober“)?
Man möchte weinen, mal vor Trauer, mal vor Wut, mal vor dem Erkennen der Größe des Universums, dem es so relativ egal ist, ob wir uns bekriegen oder bemitleiden. Dieser Brunnen hier ist wahrhaftig tief und Versinken ist gleichzeitig Chance wie Untergang. So wie das Leben. Lass dich fallen und sieh, was passiert.
„Mushroom Cloud“ von A.S. Fanning erscheint am 26. Mai 2023 bei K&F Records.
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