Hörenswert: Amythyst Kiah – “Wary+Strange”
Wut, Trauer, Verlust, Rassismus, Süchte. Die 33 jährige Ausnahmesängerin aus Tennessee weiß worüber sie singt. Es sind ihre eigenen Erfahrungen mit dem harten Leben, die sie auf “Wary+Strange“ in elf Songs verarbeitet. Begleitet von einer Band aus Hochkarätern ist es zudem Kiahs Ausdruck und Kraft, die über so manche Glätte in den Arrangements und den Anflüge von Kitsch hinweg helfen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.06.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 24.06.21 ab 00:00 Uhr.
Supergroups gibt es in letzter Zeit so viele wie Sieger von Castingshows. Leider kann die Formation, die hier Amythyst Kiah begleitet nur so bezeichnet werden: Denn hier findet sich Blake Mills (Bob Dylan, Alabama Shakes) an der Gitarre, Wendy Melvoin (Prince & The Revolution, Madonna, Neil Finn) und Gabe Noel (Kamasi Washington, Father John Misty) am Bass, Ethan Gruska (Fiona Apple, Perfume Genius) am Keyboard und Pedal Steel-Spieler Rich Hinman (k. d. lang, Tanya Tucker). Folglich wirklich das feinste, was die Musiklandschaft so hergibt. Dass das nichts heißen muss haben uns schon viele Supergroups bewiesen. Denn auch die besten Musiker können uninteressante Musik fabrizieren. Nicht selten werden heutzutage Bands zusammengestellt, die aus großen Namen bestehen, um Karten- und CD-Verkauf anzukurbeln.
Die Formation, die für “Wary+Strange” von Amythyst Kiah zusammengestellt wurde liefert hingegen eine voll ausgecheckte und punktgenaue Begleitung, spielt sich als Team durch die Roots-, Folk-, Country-Strukturen und begleitet gekonnt die Stimme von Amythyst Kiah. Stimmlich macht diese so einiges her: Immer geradeaus und schnörkellos, mal balladesk, mal vor Kraft nur so strotzend besitzt Amythyst Kiah eine Stimme die durch ihren Ausdruck und natürliche Schlichtheit besticht.
“Wary+Strange “ besteht aus 11 Songs und kommt auf gute 40 Minuten Spielzeit. Es sind folglich recht kurze Lieder, die nie das Radioformat sprengen und so auf das Wesentliche reduziert sind. Insgesamt handelt es sich um eine ‘wasserdicht’ produziertes Album mit schlüssigen musikalischen Strukturen. Amythyst Kiah ließ es sich nicht nehmen alle Songs selbst zu schreiben, oder mindestens mitgeschrieben zu haben. Von dem balladesken und spärlich orchestrierten Opener “Soapbox” sollte man sich nicht täuschen lassen, denn die Hälfte der Nummern kommt mit viel Wucht und Energie zu uns. Dabei wird es aber nie ausschweifend oder unkontrolliert. Es ist der Song, um den es hier geht. Hier sei nochmals die grandiose Begleitband erwähnt, die es richtig krachen lassen kann. Dramaturgisch werden diese Power-Nummern von Balladen ergänzt, die nicht immer Spannung halten können und zum Teil im eher schnulzigen Bereich des Country-Songs anzusiedeln sind.
Doch auch hier überwiegt die Freude an Amythyst Kiah grandiosen Gesangskünsten und den klaren, schonungslosen Botschaften. “Wary+Strange” spielt folglich in der Champions-League und hat vielleicht somit einen Charakter, der durch diese Professionalität etwas an Verwegenheit einbüßt.
“Wary+Strange“ ist am 18. Juni 2021auf Concord erschienen.
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