Hörenswert: Austra – „Olympia“
Musik und Kanada ergeben außergewöhnlich gute Kombinationen – so gehört wieder mal bei Austra.
Mit Ihrem zweiten Album „Olympia“ wird stilistisch an den Vorgänger „Feel It Break“ angeknüpft: Electro Goth mit Falsettstimme, pulsierenden Songs die langsam den Raum verdunkeln und Musik, die wieder mal ein Gespür für das richtige Maß an Winter in der Seele hat, auch wenn es an Sonne eigentlich nicht fehlt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 21.06.13 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 27.06.13 ab 00:00 Uhr.
Das Sextett Austra sticht nicht nur wegen der herausragenden Opernstimme von Sängerin Katie Stelmanis – die gewohnt sehnsüchtig über den Songs thront – aus dem inzwischen recht breiten Spektrum an Electro-Goth-Pop-Bands hervor, sondern auch durch Songs die lichtvoll und lebendig klingen, auch wenn sie weit von Sonnenschein-Popsongs entfernt sind (Austra klingt nicht zufällig nach der lettischen Göttin des Lichts).
‚Home‘ ist so einer – bezaubernd verpackt, schön inszeniert und doch sickert das grundlegende düstere Brodeln durch: „You know that it hurts me when you don’t come home at night / My body can’t rest unless you’re sleeping by my side / You know that it hurts me when you stay away all night / What is it that keeps you there? / Keeping you occupied, from my heart / My heart / Somehow..“
Als 2011 „Lose It“ vom Debütalbum „Feel It Break“ in allen Ohren klang wurde Austra noch als Geheimtipp gehandelt und gleich in die Kategorie Darkwave gesteckt. Und auch auf „Olympia“ sind Songs zu hören, die sich in die Gehörgänge graben und erst mal dort bleiben wollen. Aber man hört auch, dass Austra schon die Schubladen neben ihr occupiert hat: Art-Punk, Goth Electro oder Industrial á la Depeche Mode – schwer zu sagen, und das spricht meistens für die Musik.
Das Album entstand auch in Zusammenarbeit mit der Band: “Previously, I would flesh out songs before I brought them to the band, but this time I left them bare and let the others fill them in” – Das erklärt auch warum einem bei „Home“ die Traurigkeit beschleicht, man sich mit „We Become“ schon wieder etwas mehr dem Sonnenlicht nähert und den Zuhörern schon in karibische Gefilde versetzt – um gleich darauf von „Reconcile“ gleich wieder ins Zwielicht zurückgezogen zu werden. Aber nicht nur die Musik ist sorgsam, bedacht und großartig arrangiert, auch die gezielten Anleihen aus der gender theory.
Eine gewissen Queerness liegt auf dem Album, beginnend beim Titel, der auf Olympia, Washington hindeutet – dem Ursprung der Riot-Grrrl- und Queercore-Bewegung. Auch „I Don’t Care (I’m A Man)“ lässt auf ein gewisses queeres Selbstverständnis schließen. Gut, es kann auch schon fast sein, dass Austras Alben absichtlich im Sommer erscheinen, wo düsterer Synthiepop nicht unbedingt favorisiert wird. Aber die Beats sitzten perfekt, die Musik geht tief und es macht auch irgendwie nichts, im Sommer Musik zu hören, die klingt als wäre sie in Eishöhle entstanden.
Trotz der Schönheit, der kühlen Eleganz und einer wundervollen Musik bleibt „Olympia“ ein Soundtrack zu suffering on the dancefloor. „Hurt Me Now“ kombiniert sub-zero Synthezeiser und krachende Drums mit Falsettgesang für dunkle Nächte und schließt somit ein Album ab, das einen umfängt, wenn draußen das Leben brennt und die Seele trotzdem friert.
„Olympia“ von Austra ist am 17. Juni 2013 bei Domino Records erschienen.
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