Hörenswert: Calexico – „El Mirador“
Die geliebten Sounds aus Tuscon, Arizona (im Herzen), stets an der Grenze und mit mindestens einem Fuß in der Wüste und im mexikanischen Spirit of Sound: Calexico sind mit „El Mirador“ zurück! Das 10. Studioalbum ist ein Hinhörer, ist Freude am Aufbruch, ist schönste Melancholie in der Hitze der Sonne.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 08.04.22 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 14.04.22 ab 00:00 Uhr
Vom traurigen Glücklichsein
Vom Drang nach Aufbruch und nach Unerforschtem über „Jetzt reichts aber“-Attitude und dem „Virus, go f*** yourself“-Moment bis hin zur ureigenen Spielfreude von Calexico: „El Mirador“ ist der Weckruf für die fast vergessenen kaleidoskopischen Leuchtfeuer im Herzen, die überwältigende Erinnerung daran, was „Live“ einst hieß. Von bluesigen Träumen und dem Experimentieren zwischen Mariachi, Latin, Jazz und Indierock erzählen Calexico in tröstend bekanntem und aufregend neuem Gewand vom Loslassen und dem Weitergehen und lösen unsere eingerosteten Tank- und Konzertmuskeln sachte hin zum großen Calexico-Glück, zur Sehnsucht, die zum Weinen schön ist.
„El Mirador“ heißt soviel wie Hingucker oder Aussichtspunkt, war aber auch die größte Maya-Metropole der Präklassik, so für den sophisticated historischen Exkurs. Hingegen der Ruinen der Stadt, die in El Petén, Guatemala liegen, ist das neue Album von Calexico auf der Suche nach Neuem und Unerforschtem, hervorragend ausbalanciert im Bereich des Bekannten. Urlaub in der eigenen Stadt quasi, besser, Erkundungsreise im so wohl bekannten Universum von Calexico ist eine der schönsten Beschäftigungen, die wir uns dieses Frühjahr wünschen können. Ein sanftes Zurückholen in die Wirklichkeit, mit genug Drive und größter Sorgfalt, die Schrecken des Eises und der Finsternis des Winters nicht vergessend aber das Eis langsam tauend.
Lieder pulsieren, das Herz pumpt
Bläser, Fanfaren, weitflächige Chöre, Americana, Folk und auch eine Reise zurück. John Convertino lebt inzwischen in El Paso, Joey Burns in Boise, Idaho. „El Mirador“ ist eine gemeinsame Erinnerung an die weiten Landschaften des Südwestens, eine Liebeserklärung an die „Crystal Frontiers“, die Grenzräume in der Wüste und an die Zeit des Desert Rocks. Eine Erinnerung an Tuscon, mit dem notwenigen Maß an Nostalgie und dem hinreichenden Blick über eine Zeit der Isolation hinweg. Auf „El Mirador“ ist die schöne Melancholie Calexicos nun noch stärker: „Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, wie sehr wir einander brauchen, und die Musik ist meine Art, Brücken zu bauen und die Integration und positive Einstellung zu fördern. Das geht mit Traurigkeit und Melancholie einher, aber Musik bringt Veränderung und Bewegung in Gang.“
12 Songs wurden vergangenen Sommer im Studio von Sergio Mendoza aufgenommen, im Titelsong singt Sänger und Songwriter Gaby Moreno, der aus Guatemala stammt. Der spanische Rockmusiker Jairo Zavala ist auf „Cumbia Peninsula“ zu hören und bei „Harness The Wind“ ist der großartige Sam Beam alias Iron & Wine mit dabei:
„Es ist ein Lied über Hoffnung und das Teilen von Mitgefühl mit Mitreisenden und Träumern, die versuchen, ihren Weg zu finden. Als wir
den Track aufgenommen haben, fühlte es sich an, als hätten wir einen Funken aus hellem Licht und Positivität angezapft […] Wir schickten die Tracks an Sam Beam, um seine
Vocals in den Refrain einzufügen, wodurch die Melodie noch schwebender wurde.“
Ein Stück Ruhe in einer volatilen Welt: Calexico bleibt auch auf Album Nummer 10 unverkennbar das, was man sich von Calexico immer wieder erwartet: Sehnsucht, Melancholie, ein paar zerdrückte Tränen und Kraft, um weiter zu gehen.
„El Mirador“ von Calexico erscheint am 8. April 2022 bei City Slang.
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