Hörenswert: Chet Faker – „Hotel Surrender“
Auferstehung des Alter Egos: Nick Murphy nächtigt als Chet Faker im „Hotel Surrender“ und präsentiert die gesammelte Lässigkeit neben den offenen Wunden: Mit Synthiebass, Streicherloops und schlenderndem Schlagzeug, mit funkigen Gute-Laune-Songs, die nach 70er klingen und mit mit einem Flow, der sagt: Jetzt lass mal gut sein.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 06.08.21 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 12.08.21 ab 00:00 Uhr
Music does something.
Der Australier und Wahl-New-Yorker Nick Murphy experimentiert gerne mit Genre-Mischungen und Künstlernamen, tänzelt als Songwriter durch Future Beat, Hip-Hop, Funk, Electro und Modern Soul und das immer smooth und mit hervorragender Bodenhaftung. 2011 landete er seinen großen Coup mit dem Cover des Backstreet-Boys-Hit „No Diggity“, 2012 stellte er auf der EP „Thinking in Textures“ erstmals seinen kühlen, unaufgeregten Electro-Sound in den Fokus und 2014 erschien „Built on Glass“, sein gefeiertes Electro-Soul-Debütalbum.
Entgegen den Auffälligkeiten und Übertreibungen im Geschäft ist Chet Faker in der Ruhe und Gelassenheit zuhause, für die App „Calm“ schrieb er als Nick Murphy letztes Jahr ein Mediatationsalbum („Music for Silence„) (!!). Seine Arbeiten als Nick Murphy bzw. Chet Faker sieht er als völlig getrennte Welten:
„… the Chet Faker stuff is very giving and not challenging. The Nick stuff assumes the listener is investing time and energy into listening
and it asks for patience and understanding. Faker doesn’t do any of that.”
I must be stupid with my head in the clouds.
Im „Hotel Surrender“ darf nun in der Ecke gechillt werden, während Chet Faker sanft und unaufregend die Seelenruhe überwältigend am Kaffeetisch serviert. Die Songs sind seidige und perfekte Momentaufnahmen, sind wenig greifbar und doch im Moment überpräsent, wie ein sehr freundlich winkender Zaunpfahl. Disko-Schnappschüsse, doomige Hoffnungsschimmer, kühlende Relativierungen und trostreiche Beats für das Scheitern, das Loslassen und das erlösende Aufgeben. Denn natürlich ist nicht alles so Gute-Laune, nach der das alles klingt. Pandemie und so, düstere Zukunftsaussichten und persönliche Verluste lässt Chet Faker mit konstantem Chaos und Schmerz genauso zu wie Optimismus, der näher betrachtet ohnehin unausweichlich ist – nützt es nichts, schadet es auch nicht: Massentherapie in Albumform.
Das kristallisiert sich auf „Hotel Surrender“ vollständig und durchdringend heraus, als ausgereifter Faker-Sound mit Live-Instrumentierung und vielschichtigen Harmonien zwischen Retro-Ästhetik, Wabi-Sabi, geschmeidigem Falsett und subtiler Romantik. Mit einem feinen Verständnis für die Welt wie sie ist werden Sorgen und Herzschmerz sorgsam verarbeitet. Und die Lücken mit Musik gefüllt.
„Hotel Surrender“ von Chet Faker ist am 16. Juli 2021 bei BMG erschienen.
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