Hörenswert: Fai Baba – „Veränderet“
Alles neu bei Fabian Sigmund, alles „Veränderet“ bei Fai Baba.
Das Alter Ego des Singer-Songwriters verwandelte sich in den letzten Jahren vom rastlosen, gefährlich charmanten Vagabunden hin zum sphärisch ruhigem Balladeur, der sich in seiner Muttersprache Schwyzerdütsch barfuß hinsetzt, die Beine und die Seele baumeln lässt und zeigt, wie absolut faszinierende Mundartmusik mit Neo-Folk zusammenpasst.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.03.22 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 24.03.22 ab 00:00 Uhr
Ich ha mich veränderet, ich bi nöme de Gliich
Beim letzten Konzert von Fai Baba, auf dem ich damals im Rockhouse war (das Eleven Empire weiß Bescheid), wurde noch mit dem Album „Sad and Horney“ – das zu den besten Schweizer Alben 2016 gehört – ekstatisch ge-psychedelic-t, auf englisch entrückt gerockt und schweißtreibend und melodramatisch in die Drums gedroschen (hach). Der Drive ist tatsächlich noch der gleiche, die fast hypnotisierende Wirkung des schlaksigen Schweizer Serge Gainsbourg hat sich seit dem Wandel wohl auf andere Ebenen begeben.
Drei Jahre verbrachte Sigmund in einem indischen Kloster, danach arbeitete er auf einem Bauernhof in der Schweiz. Sein Yogalehrer hat ihn zum Schwyzerdütsch ermutigt. Kling alles zu sehr nach Eat – pray – sing? Vielleicht. Aber die Sehnsucht spricht am besten immer wie Daheim. Außerdem: Setzt dich mal mit deiner Gitarre, in der Früh, nach dem Melken der Kühe hin, und hör deinen eigenen Gedanken zu. Da kommen oft die besten Geschichten, das wussten schon Baldrian damals, vor knapp 20 Jahren. Misch noch etwas Prärie-Feeling dazu und du wirst erkennen.
Will d liebi wird sich nie verändere si bliibt immer di gliich
Das neue Crossover von Fai Baba ist ein großartiges Gesamtkunstwerk geworden, die Essenz des Lebens in 11 Songs erzählend, trägt die Schweizer Sprache eindringlich und verträumtes mit sich, was man mit großer Seele und neugierigen Augen erleben kann. Vom Wind im Boot geleitet zu werden, Regen und Regenbogen mit ehrlich naiver Melancholie zu beneiden und trotz der Einigkeit mit der Welt die kantigen Psych-Rock-Liebe nicht ganz zu vergessen. Ich fühl mich auch ständig an die Beatles erinnert und an „Das weiße Album“ und schätze mal, der Bogen gelingt. Den Spiralen im Wimmelbild des Covers zu urteilen, war da auch nicht nur Kuhmilch im Spiel.
S läbe will sich sich erläbe las es zue
Kämpf, kämpf nöd degäge a gib rue
Aber auch abseits von Klischees ist „Veränderet“ ein Hingeben, mit Soulstimme und einem wohligen Einnisten in die guten Gedanken und die guten Geschichten, jene, an die man sich immer mit Sonnenschein und ein bisschen in Slow Motion erinnert. Etwas surreale Zuckershots, die Fai Baba trotz der Veränderung beibehielt, wie damals. Ebenso wie die zutiefste Coolheit. Vielleicht ist es immer noch ein Vagabund, der jetzt eben mit der Bassklarinette den Titelsong einleitet und den Bass federnd, das Schlagzeug smooth einwebt. Aufgenommen mit Reto Gaffuri (Bass), Arno Troxler (Drums), Mike Fischer (Guitar) bei Manuel Egger (Suburban Studios) ist das Album Schweizer Neo-Folk, was sich genretechnisch gerne durchsetzen darf.
Noch nie lang eine Selbstfindung so gut. Da freut man sich auf den erneuten Gastbesuch beim legendären KEXP.
„Veränderet“ von Fai Baba ist am 4. März 2022 bei A Tree In A Field Records erschienen.
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