Hörenswert: Flying Lotus – „You’re Dead”
Raffiniert und recht abstrakt erklingen die elektronischen Grooves dieses Remix-Künstlers, der aus den unterschiedlichsten Zutaten komplexe Hip-Hop-Kollagen bastelt.
In 19 kurzen Episoden und musikalischen Blickwinkeln nähert sich Steve Ellison aka Flying Lotus auf diesem Album dem Thema Tod und Sterben. Unterstützt wird er dabei unter anderem auch von Snoop Dogg und Kendrick Lamar.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.12.15 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 25.12.15 ab 00:00 Uhr.
Tod und Sterben wird üblicherweise im Hip-Hop thematisiert, wenn es darum geht andere umzulegen oder dem Gedanken noch vorher ganz viel Geld zu verdienen. „You’re Dead” dagegen gleicht einer Art Suite, die in steter Wandlung begriffen sich diesem Thema etwas ernsthafter annähert. Laut der Neuen Züricher Zeitung versucht Ellison Hip-Hop mit neuer Spiritualität aufzuladen (Jonathan Fischer, 23.4.2010).
Allerdings handelt es sich bei „You’re Dead” um ein ungewöhnliches und sehr facettenreiches Hip-Hop-Album. Trotz der vielen Kurzen Episoden und wirkt das Album wie eine lange Erzählung. Der Beat-Produzent aus Los Angeles brilliert dabei als Meister des Schnitts und der geschlossenen Dramaturgie. Szenenhaft verarbeitet Flying Lotus dabei vor allem sehr viele jazzige Elemente, die hier fast wie Zitate wirken. Diese haben bisweilen FreeJazz-Charakter oder erscheinen als Sphärische Wolken. Neben den vielen instrumentalen Bildern und den dezidierten Hip-Hop-Stücken mit Rhymes wird aber auch viel Gesungen. Von diesem Gesichtspunkt erinnert die Musik phasenweise entfernt an Outkast. Trotz des ernsten Themas klingt „You’re Dead” keinesfalls düster, sondern eher geheimnis- und streckenweise auch sehr kraftvoll.
Jahrzehnte lang wurde der Hip-Hop, einst radikale Musik, die der Subkultur entsprungen ist, und die die Musikwelt revolutioniert hat, am Nasenring durch fast alle Genres und über etliche Bühnen gezerrt. Zur Salonfähigkeit geglättet haben sich auf diesem Wege natürlich Konventionen eingeschlichen, die inzwischen der Markt diktiert und nur selten der Künstler. Das sieht Ellison nicht viel anders:
„Da gibt es alle möglichen Dinge, die du tun darfst oder lassen solltest. Ich aber fühle mich dem ursprünglichen, umfassenden, grenzenlosen Geist des Hip-Hops verbunden – und den bringe ich in meine Musik.“
Ellison bricht auf „You’re Dead” mit vielen Konventionen und liefert mit diesem Album durchaus eine Vision von der Zukunft dieser Musikrichtung: Denn „You’re Dead” ist ein gelungenes Stück Kunstmusik, tiefgehend, modern, musikalisch ausgereift und sehr raffiniert gemacht. Mit John Coltrane ist Ellison nicht nur Neffe einer der berühmtesten Saxofonisten aller Zeiten (was sicher auch ein Türöffner darstellt), sondern eben auch ein spiritueller Mensch und natürlich ist letzteres hier immer präsent:
„Ich frage mich immer wie Künstler kreativ sein können, ohne sich auf eine innere Reise zu begeben. Da liegt doch das Herz unserer Kunst: Du erschaffst die beste Arbeit, wenn du ehrlich vor dir selber bist.“
Das Album ist am 3. Oktober 2014 auf Warp erschienen.
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