Hörenswert: Frente Cumbiero – “Cera Perdida”
Wer auf Tanzmusik der bizarren Sorte steht, ist bei Frentes psychedelischer Spielart des kolumbianischen Cumbia genau richtig. Auch auf “Cera Perdida” erzeugt Frente wieder ein vielschichtiges Klanggewitter aus schrägen Sounds, Effekten und Cumbia-Rhythmen. Als großer Erneuerer beamt Frente so den altehrwürdigen Cumbia fast komplett in futuristische Welten.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 18.06.21 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 24.06.21 ab 00:00 Uhr.
Sein Debüt feierte der Kolumbianer an der Seite des Mad Professor (“Frente Cumbiero Meets Mad Professor”). Es ist schwierig zu sagen, ob Frente durch diese Kollaboration mit dem durchgeknallten Effekt-Genie und Dub-Magier aus Georgetown Guyana verzaubert wurde. Wahrscheinlicher ist es, dass die beiden mit dieser effektgeladenen Art, Musik zu machen, Brüder im Geiste sind. Denn der magische Wahnsinn entfleucht aus “Cera Perdida” subtil und hintergründig. Weit entfernt vom Klischee des kolumbianischen Ballermanns, in das der Cumbia durch den Latin-Hype gerutscht ist, kreiert Frente auf “Cera Perdida” Klanggebilde, die zwar sonderbar klingen, aber trotzdem durchaus eingängiger Natur sind. Doch der eigentliche Wahnsinn ist, was sich hinter den Melodien polyrhythmisch entwickelt und wie kunstvoll sich letzteres mit der Elektronik verbindet. Natürlich ist auch hier das Delay das Effekt erster Wahl, mit dem Frente grandios arbeitet.
Durch die improvisatorische Nähe zum Jazz erinnert hier vieles an die Musik von Sun Ra. Es ist wohl auch das digitale Zeitalter, in denen die Musiken der Welt enger zusammen rutschen, Berührungsängste verschwinden und zwischen Bewahrern und Erneuern unterschieden werden muss. Frente jedenfalls ist eindeutig zu den Erneuerern zu zählen, der frei von Berührungsängsten alles aufsaugt, was zu seiner futuristischen Idee von Cumbia passt. Dazu gehört auch der schaurige Sound des schon fast vergessenen Euphoniums.
Und irgendwie scheint es wirklich ansteckend zu sein. Die Magie scheint sich einem zu bemächtigen und man möchte einfach immer weiter hören. Das versetzt uns in einen Zustand, in dem einem Bilder aus alten Trash-Filmen oder billigen Science-Fictions vor dem geistigen Auge erscheinen. Wenn das rationale Bewusstsein es geschafft hat die Stop-Taste zu drücken, bekommt das Wort ‘psychedelisch’ nach dem Erwachen seinen ursprünglichen Bedeutungsgehalt zurück.
Cumbia hin – Cumbia her. “Cera Perdida” entwickelt einen magisch-betörenden Sog, der auch in dieser Rubrik seinesgleichen sucht, und dem man sich gar nicht entziehen kann. Ein völlig abgedrehtes, grandioses, vielschichtiges Album, das viel Spaß und süchtig macht.
“Cera Perdida” ist am 29.04.2021 auf Vampisoul erschienen.
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