Hörenswert: Get Well Soon – „The Horror“
Voll Epik und Tragik scheint das neue Werk von Get Well Soon: The Horror schleicht sich durch seine Tracks wie eine Katze in der Nacht, hör- und beinahe fühlbar und doch nicht zu greifen. Die Großartigkeit von Get Well Soon trifft auf seinen 5. Studioalbum auf seine persönlichsten Seiten und mengt ihnen die Paradoxien von Traum – Realität, Idylle – Zerstörung, Verzauberung – Verstörung bei. Das Ergebnis ist eine tiefenpsychologische Abhandlung, die neugierig betrachtet wird. Was hörst du?
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 22.06.18 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 28.06.18 ab 00:00 Uhr
„Ich freue mich über einen bösen Traum“, sagt Konstantin Gropper aka Get Well Soon. Einerseits ist er nun mal ein Mensch, dem man das auch glaubt. Andererseits aber nicht nur wegen der leichten Nacht-Stimmung die ihn immer umgibt sondern auch weil es die Aufregung darüber ist, die inspiriert und antreibt. Gut so, Geschichten vom Fliegen und den anderen Abfällen des menschlichen Unterbewusstsein gibt ja eh schon zuhauf. So zieht sich weniger Traurigkeit oder Düsternis durch das Album, sondern die Essenz von verstörenden Gedankengebilden, die den Weg aus Groppers Hirn in „The Horror“ gefunden haben und den Zuhörern das Fürchten lehren sollte: Mit konzeptueller orchestraler Musik, großen sphärische Soundflächen die sich wie in Sergei Prokofjews „Peter und der Wolf“ beinahe charakterlich äußern.
Bereits auf dem Debütalbum von Get Well Soon, „Rest Now, Weary Head, You Will Get Well Soon“ (2008) zeigen sich die für Gropper typischen großen Arrangements, verwirrende Gedankengänge, Eigenbrötleleien und beinahe unheimlich gutes Songwriting. Auf dem letzten Album „Love“ (2016) kreiste Get Well Soon um das große Phänomen Liebe, teils in beklemmenden musikalischen Bildern, „The Horror“ findet seinen Ausgangspunkt in den 50er Jahren, in Sinatra-Sound und dem Beginn des Zusammenbruchs einer heilen Welt – nicht weniger beklemmend, wenn auch erst beim zweiten Hinhören. Das ist auch der Grund für die so gar nicht horrösen Arrangements, die zuweilen eher hyper-idyllische Soundkulisse, wie etwa in „(How To Stay) Middle Class“. Eine Traumsequenz, die einlullt und schmeichelt, bevor sie den Abgrund aufreißt.
Groppers persönliche Ausgangspunkte sind die Songs „Nightmare No1 (Collapse)“, „Nightmare No2 (Dinner at Carinhall)“ und „Nightmare No3 (Strangled)“, hier schleicht sich der Horror durch die Zeilen. Die geträumte Angst im Bett ist schließlich die Transferierung, die Übersetzung des Unterbewussten aus den Realitäten. So vielschichtig und eindringlich wie die Orchestrierung und die Reihe der Gastmusiker: Im Opener „Future Ruins Pt. 2“ interpretiert die tunesische Sängerin Ghalia Benali „Lama Bada Yathatanna“, ein Stück aus dem arabischen Mittelalter mit dem sie die zukünftigen Ruinen beklagt, seinen Carinhall-Albtraum besingt Gropper in „Nightmare No2“ mit Sam Vance-Law und „Nightjogging“ wird unterstützt von Kat Frankies Sprechgesang.
Schrecken der Welt
Den Hirngespinsten zum Beweis lassen sich die Schrecken der Welt nicht einfach beseitigen, mehr ist es Aufgabe der Angst, den Umgang damit zu definieren.“Natürlich ist das alles sehr alarmierend, aber mich interessiert auch, woher diese Angst kommt. Das ‚Wie-Sind-Wir-Hier-Gelandet?“ Wiederholungen liegen in der Natur der Geschichte, und auch in dieser Schleife leistet uns Get Well Soon mit seinem metaphysischen, träumenden Konstatieren der Zustände beruhigende Gesellschaft. So steht am Schluss, mit „(Finally) A Convienient Truth“, zumindest eine beruhigende Erkenntnis: „This is no cure / But company / So join hands / In horror unite! / Together we stand / In darkest night.“
„The Horror“ von Get Well Soon ist am 8. Juni 2018 bei Caroline International erschienen.
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