Hörenswert: James Chance & Les Contortions – „Incorrigible“
Die ganze Wucht der Avantgarde kommt einem auf „Incorrigible“ in der Form von 9 Stücken Musik entgegen, die vieles in Frage stellen und mit einer kompromisslosen Vehemenz beständig musikalische Freiheit einfordern. Das klingt auch 40 Jahre nach Gründung des „No Wave“ noch immer extrem spannend und hinterlässt ein zumindest beeindrucktes Auditorium.
Geliebt wird James Chance aber von einem völlig dispersen Publikum, das wohl als einzige Gemeinsamkeit eine gewisse Vorliebe für radikale Klangkonzepte besitzen mag.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 14.12.12 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 20.12.12 ab 00:00 Uhr.
Und in seiner Verweigerung sich an bestehende Konventionen zu halten zieht James Chance sowohl Anhänger der Punkbewegung, der Free-Jazz-Avantgarde, als auch Funk-Liebhaber mit diesem im besten Sinne als stillos zu bezeichnenden Sound in seinen Bann.
Hier wird in einem klar abgesteckten Rahmen der Musik eine Freiheit (wieder)gegeben, die zudem einen recht beispiellosen subversiven Charakter transportiert. ‚No Future‘, ‚No Wave‘: Besagte Verweigerung findet sich schon im Namen dieser Stilrichtung wieder, die Ende der Siebziger Jahre in New York als eine Art Gegenentwurf zum recht kommerziellen und glatten ‚New Wave‘ entstanden ist und der Künstler wie Lydia Lunch (wen wundert’s) oder auch Brian Eno angehörten.
Kaum geboren war es dann auch gleich wieder ruhig um diese neue und extrem kurzlebige Kategorie. Und auch das passt zu dieser offensiven Musik, die so klingt als ob es kein ‚Morgen‘ mehr geben würde. ‚Hier und Jetzt! oder sonst gar nicht‘ scheint das Motto dieses Albums zu sein, das einem mit seiner freien Punk-Funk Attitüde vom ersten Ton an ins Gesicht springt. Auf „Incorrigible“ verschmelzen fantastisch exakt gespielte Grooves mit Sounds, Geräuschen, schrägen Soli und ebensolchen Melodiefetzen zu einem bizarren Ganzen, das vielleicht etwas an den ganz frühen Prince erinnert.
In diesem Sinne sind vielleicht Letztere die einzigen ernst zu nehmenden Künstler, die Anfang der Achtziger Jahre dem Funk neue Perspektiven aufzeichneten. Aus dieser Zeit stammt auch James Chance legendäres Album „Sax Machine“, der damals noch unter dem Namen James White and the Blacks die Hörer verwirrte und mit Defunkt’s Joseph Bowie über einen exzellenten Bläsersatz verfügte.
Zusammen mit Les Contortions zelebriert James Chance fast hymnisch den freien musikalischen Ansatz. Insbesondere Gitarrist Pierre Fablet besticht mit seinen atemberaubenden Sounds und seinem ohnehin sehr unkonventionellen Stil. Wer gefallen an der Musik findet wird belohnt mit einem sicherlich extrem langlebigen Album, bei dem Korrekturen in der Tat außerhalb des Möglichen liegen. Es ist ja schon gespielt! Jedenfalls beweisen James Chance & Les Contortions mit „Incorrigible“, dass die Avantgarde nichts von ihrer Kraft eingebüßt hat.
Das Album ist am 26. Oktober 2012 bei Ladtk erschienen.
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