Hörenswert: Kikagaku Moyo – “Masana Temples”
Musik aus Japan? Da scheint wohl eher Vorsicht geboten.
Allzu oft muten die Veröffentlichung aus dem Land der aufgehenden Sonne für uns eher bizarr wenn nicht gar verstörend an. Kikagaku Moyo bedeutet so viel wie ‘geometrisches Muster’ und verschafft auch westlich geschulten Ohren einen recht leichten Einstieg. Denn der fette und mitreißende psychedelische Rock dieser Formation hat seine Wurzeln eindeutig im deutschen Krautrock.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 25.03.22 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 31.03.22 ab 00:00 Uhr.
Es ist wohl generell recht schwierig einen Einstieg in die japanische Kultur zu finden, auch wenn es sich um Popularmusik mit westlichen Einflüssen handelt. Gutes Beispiel dafür ist die riesige japanische Metal-Szene, die Blüten wie Babybymetal hervorbringt, die in technischer Perfektion einen Sound und eine Live-Performance kreieren, die auf uns völlig abgedreht anmuten und nur einen Schluss zulassen: ‘Die spinnen, die Japaner’. Die grenzenlose Begeisterung der Japaner für das europäische Kulturgut spiegelt sich zum Leid vieler Einheimischer auch in den Besucher-Fluten wieder, die sich jeden Sommer z.B. in Hallstatt einfinden.
Nun also auch japanischer Krautrock. Und wie auch in anderen Genres zu hören haben Kikagaku Moyo den Krautrock mit musikwissenschaftlicher Perfektion analysiert und kommen nun mit ihrer eigenen Interpretation diese Spielart. Was den Krautrock von fast allen anderen Ansätzen unterscheidet, ist das spielerische Eintauchen in fremde Musikkulturen, eine Enkulturation auf musikalischer Ebene ohne puristische Originalklang-Allüren. Hier geht es mehr um Horizonterweiterung.Inzwischen feiert der Krautrock ein kleines Revival. Doch haben sich die Zeiten natürlich verändert und es gibt wohl nur noch wenige Musiker, die Interesse daran haben sich auf solch ein Abenteuer einzulassen wie damals die Ur-Formation Embryo rund um Vibraphonist Christian Burchard .
Diese begab sich samt illustrer Begleitung Ende der 70er Jahre auf eine acht Monate dauernde Reise von München bis nach Kalkutta, während der auch ein Kind (Bajka) auf die Welt kam. 1980 wurden die Mitschnitte dieser musikalischen Forschungsexpedition auf der Doppel-LP “Embryos Reise” veröffentlicht, zusammen mit einem sehenswerten Dokumentarfilm. Inzwischen ist mit Burchards Tochter Maja bereits die nächste Generation auf der Bühne zu finden.
Eindeutig tragen die Japaner Kikagaku Moyo diesen Spirit, diese verspielte musikalische Abenteuerlust in sich. Und in gewisser Weise schließt sich hier ein Kreis, wenn eine japanische Formation sich von deutschem Krautrock beeinflussen lässt, dessen Protagonisten damals fernöstliche Musikkonzepte studierten. Was also zählt ist die Einstellung und Kikagaku Moyo haben die richtige. Sie kombinieren die verwegene Grundstimmung des Krautrock mit ihrer Musikkultur und erhalten sich dabei ihre eigene musikalische Identität, indem sie etwas Neues, andersartiges entstehen lassen.
Folglich wählen Kikagaku Moyo neben Gitarre, Schlagzeug und Bass ganz unterschiedliche Klangerzeuger und lassen es sich natürlich nicht nehmen auf japanisch zu singen. “Masana Temples” ist ein betörendes Stück japanischer Krautrock, der den Geist der Siebziger in sich trägt und nur so vor musikalischer Abenteuerlust, Experimentierfreudigkeit und Spiritualität strotzt.
Vieles hat sich verändert. Nur nicht der Ansatz, der Musik als Abenteuer, als Experiment, als globales und spirituelles Kommunikationsmittel begreift. Es geht hier nicht um Perfektion oder Profit, sondern ‚nur‘ um die Musik. Ein fantastisches Stück Subkultur, das uns vorlebt, was man alles anders machen kann, als man zu denken glaubt.
Nicht nur für Krautrock-Fans sehr empfehlenswert.
“Masana Temples” ist am 18.3.2022 auf Guruguru Brain als LP erschienen.
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