Hörenswert: Liz Lawrence – „Peanuts“
Liz Lawrences „Peanuts“ ist eine Mischung aus Cate Le Bon und Primal Scream, die sich gemeinsam über Landbesitzer lustig machen.
Und es ist ein feministisches Statement über Weltanschauungen und die Aufforderung, sie eigenen Ungewöhnlichkeiten stärker zu spüren und daraus eine Superkraft werden lassen. Und so stehen Folk, Funk, Gitarrenrock, Dreampop und ein bisschen Dancefloor auf dem Programm, das uns durch die Namen verschiedener Bäume, das Gruseln über Höflichkeitsfloskeln in E-Mails und das tiefe Einatmen unter Wasser führt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 26.7.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 1.8.24 ab 00:00 Uhr
Die britische Singer/Songwriterin, Multiinstrumentalistin und Produzentin Liz Lawrence ist eine jener Menschen, bei denen ständig was passiert, irgendwas gemacht wird oder unentwegt neue Ideen gesponnen werden und man sieht zu und denkt sich: Läuft. Den Start machte sie als Hälfte des Duos Cash+David und machte sich dann bald auf den Weg, um als Backgroundsängerin und Kollaborateurin ihre Freunde, den Bombay Bicycle Club, auf Welttournee zu begleiten. Daneben bringt sie sich das Produzieren bei und veröffentlichte ab 2018 eine fortlaufende Serie von Doppel-A-Seiten-Singles, 2019 erschien das erste Album „Pity Party“, 2020 folgte „Whoosh“. Mit „The Avalanche“ (2021) spielte sie auf Festivals wie Green Man, All Points East, Victorious und im ausverkauften Londoner Lafayette.
It’s not getting easier
Der Neuling „Peanuts“ wurde von Ali Chant (u.a. Yard Act und Aldous Harding) produziert und gemischt und Liz Lawrence widmet sich thematisch dabei ganz dem „den Bach runtergehen“: Zerfallende Gemeinschaften, der Verlust öffentlicher Räume, die Sehnsucht nach dem Wiederfinden des Verbindenden. „Peanuts“ ist dabei die Schmerzgrenze: Der Titel bezieht sich auf das Kinderspiel, bei dem man sich gegenseitig die Finder verdreht, bis irgendjemand „Peanuts“ ruft, wenns zu weh tut. Und da muss man schon sagen, großartiger Twist: Lawrence gelingt es perfekt, die Balance zwischen Ironie und Mitgefühl zu finden und very britisch und mit Humor an die Alltagsschwierigkeiten, das Wohlstandsgefälle und die kleinen Momente im Leben heranzugehen. Dass wir inmitten mehrerer Krisen sind, ist nichts Neues, dennoch sind es die Nuancen, die deren Dringlichkeit wieder ans Licht befördern.
So ist „Big Machine“ ist das gesamte Gewicht der Welt auf den eigenen Schultern, ist Frustration über die Untätigkeit der Politik und der Wunsch nach Einsiedelei (I feel you!). Ein Manifest auf den Vorzug der Natur und dafür, die Schlacht lieber auf das Bohnenfeld zu verlegen. „Names of Plants and Animals“, die Vogelbeobachtungshymne des Jahres, mit großartigem Danelectro-Sitar-Solo von Ali Chant. „No One” plädiert darauf, dass nicht jeder Moment zählt. Sei ruhig müde und gelangweilt vor Betriebsamkeit, Wachstum macht doch nur traurig und dein innerer Verlierer will doch auch nur Liebe! „That’s Life“ überprüft das Essen bei Muttern auf Schimmel und stößt die toxische Positivität fröhlich von einer Klippe, „Oars“ frisst die Reichen und „Struts“ ist der Aufruf, rauszugehen, zu sein und jeden Raum zu nutzen, der zur Verfügung steht. „On Loss and Overcoming Despair” ist der trippige Song für den Club, die Synthesizer und der Subby-Bass laden auf die Tanzfläche und erzählen dir dort die Geschichte von Tammy Faye Baker und Stephen Pieters.
Und so träumt sich Liz Lawrence mit der Coolness einer Candice Gordon, der Empathie einer Dear Reader und mit grundsoliden Rock-Gitarrensound durch ihre Beobachtungen zwischen London und der ländlichen Umgebung von Birmingham, durch Erfahrungen aus sozialen Veränderungen zwischen Jugend und Adoleszenz und durch die differenzierten Bilder queerer Weiblichkeit. Und konstatiert nicht zuletzt, wie gut es sich anfühlt, sich sichtbar gegen das zu stellen, das falsch läuft.
Top Level Joy
Liz Lawrence gibt mit „Peanuts“ eine kleine Anleitung fürs Überleben, mit kleinen Dingen für die Welt, die in kleinen Schritten das Leben (wieder) besser machen: „The elevator going up is the feeling of joy coming up from the bottom of your stomach like a high striker being struck“.
Also, Einsteigen und wieder rauffahren!
„Peanuts“ von Liz Lawrence ist am 7. Juni 2024 bei Chrysalis Records erschienen.
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