Hörenswert: Mbongwana Star – „From Kinshasa“
Tradition trifft Moderne: Frei von jeglichem folkloristischem Nippes machen sich die sieben Musiker aus der Hauptstadt des Kongo auf den Weg und verlassen mit ihrem urbanen, bisweilen fast futuristisch klingenden Sound die Sphären des üblichen Weltmusik-Geklingels. Die Erdanziehungskraft scheint die Formation dabei längst hinter sich gelassen zu haben.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 11.11.16 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 17.11.16 ab 00:00 Uhr.
Dass ausgerechnet aus diesem vom Bürgerkrieg so zerfressenen Land solch eine musikalische Perle kommt, ist nicht selbstverständlich. Auch Kinshasa selbst stand schon des Öfteren kurz vor dem Kollaps der öffentlichen Systeme. Im wahrsten Sinne des Wortes ‚hoch hinaus‘ wollte einst das Land in dem nun über 70 Prozent in absoluter Armut leben müssen und rief in den Siebziger Jahren daher ein eigenes Raumfahrtprogramm ins Leben.
Den Weg in die Moderne hat der Kongo musikalisch längst spielerisch bewältigt. Fußend auf einer großartigen Musiktradition für das der Kongo auch über Afrikas Grenzen hinaus berühmt ist, macht sich Mbongwana Star direkt auf in die endlosen Weiten des Weltalls. Doch vorerst geht die Reise mit dem Opener einmal „From Kinshasa to the Moon“. Entgegen kommt einem hier ein total abgefahrener urbaner Sounds, der megafunky klingt und rhythmisch vielleicht entfernt etwas an Afrobeat erinnert. Jedoch lässt sich die Musik letzten Endes nicht nur in ein Genre fassen, da sie unfassbar viel in sich aufgenommen zu haben scheint.
Aber vor allem klingt das gesamte Album nach etwas lange nicht Gehörtem: Sie klingt überraschend neu. Atmosphärisch und musikalisch unglaublich dicht geht die Reise auf „From Kinshasa“ stilistisch äußerst schlüssig weiter. Es wird hier ein Gesamtkonzept präsentiert, dass einen unglaublichen Sog erzeugt und dabei stets geheimnisvoll bleibt. Trotz dieses schlüssigen Gesamtkonzepts ist das Album hoch Abwechslungsreich und wechselt von Highspeed-Nummern wie „Nganshé“, über leicht technoide wie „Kala“ zu getragen lyrischen Titeln wie dem „Coco Blues“. Letztere ist vielleicht die einzige Nummer des gesamten Albums, die auf allseits bekannte musikalische Strukturen zurückgreift.
Mbongwana Star ist alles andere als ein Zufallsprodukt. Gegründet wurde die Formation von Coco Ngambali und Theo Nzonza, die bereits für das sehr erfolgreiche Projekt Staff Benda Bilili mitverantwortlich waren. Für „From Kinshasa“ versammelten die beiden schon etwas älteren Herren junge Musiker aus der heimischen Szene um sich. Die Musik durchlief somit ein Art Frischzellenkur wurde mit reichlich Effekten und modernen Sound versehen.
Zuerst ist man etwas erstaunt über den eingängigen Sound des gesamten Albums, das trotz allem energetischen Impetus sehr kompakt rüber kommt, nie nervig wird und eine ausgesprochen hohe Kompatibilität besitzt. Doch wenn man dann erfährt, dass mit Liam Farrell aka Doctor L ein absoluter Meister seines Fachs hinter den Reglern saß, erklärt sich dieses. Schließlich hatte Doctor L bereits Tony Allen (den Schlagzeuger von Fela Kuti) nach seiner Heroinsucht auf dem Album „Psyco On Da Bus“ ein neues elektronisches Gewand verliehen und zurück in die Erfolgsspur gebracht. Mit dem Label World Circuit, dass damals den Buena Vista Social Club groß raus brachte, hat Mbongwana Star zudem einen Partner, der ein Experte auf dem Gebiet ist, nicht westliche Musik für die globalen Märkte zugänglich zu Machen. Manchmal verliert dadurch die Musik an Authentizität. Hier ist dieses Unterfangen unglaublich gut gelungen. Denn „From Kinshasa“ ist ein ganz zauberhaftes Album, das wohl kaum jemandem nicht gefallen kann.
Das Album ist am 18. Mai 2015 auf World Circuit erschienen.
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