Hörenswert: On Ka’a Davis – “Seeds of Djuke”
Was der New Yorker Avantgarde-Gitarrist so spielt, entspricht keiner Konvention.
Insbesondere die rhythmische Freiheit seines Spiels gleicht einem metrischen Delirium und ist wohl der Alptraum jeder abendländischen Musikschule. Davis verspottet unsere musikalischen Grundprinzipien und schafft einen Kosmos, in dem etwas Möglich ist, das man nicht einmal zu denken vermochte. Statt dem sehr sperrigen, im Mai erschienenen Album “…Here’s To Another Day And Night For The Lwa Of The Woke” widmen wir uns hier dem sehr groovigen “Seeds of Djuke”, das im Jahre 2009 erschienen ist.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 20.09.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 03.10.24 ab 00:00 Uhr.
Nach einer kurzen Ansprache von Davis geht der Wahnsinn gleich los und wir befinden uns, ohne uns akklimatisiert zu haben, mitten in dem wabernden multidimensionalen Kosmos, den dieser extravagante Gitarrist zusammen mit den ‘Famous Original Djuke Music Players’ erschaffen hat. Zu letzteren gehören der Fela-Kuti-Schlagzeuger Jojo Kuo, Marie Afonso von Zap Mama, Gesang und der Virtuose Francis Mbappe am Bass.
Einem Fiebertraum gleich…
Einem Fiebertraum gleich scheint hier die Wahrnehmung eine Andere zu sein. Als ob sich die unzertrennlichen Stimmen, Geräusche und Klänge eines interstellaren Marktes wie von Zauberhand zu einem extrem cool dahin groovenden Ganzen von höchster Ordnung zusammenfügen würden, die wir bisher immer überhört haben. Es ist eine Art von spiritueller Magie, die uns hier die Ohren öffnet und uns nach dem gestaltenden Prinzip fragt – und nach dem Ursprung dieser polyzentristisch Rhythmik suchen lässt.
Neben ungläubigem Staunen über die Art der extrem funkigen Grooves und die wunderschönen spirituellen Vocals stehen auch einige Fragen im Raum: Was hält das alles zusammen? Und: Darf man überhaupt so Musik machen? So frei? So expressiv? Davis gibt uns auch eine musikalische Antwort. Mit “Ain’t Nobody Teach Nobody Nothin’!” verrät der Titel bereits einiges. Hier leuchtet uns der Synthie-Bass den Weg durch die wildesten Passagen, Explosionen und unvorhersehbaren musikalischen Ereignisse. Nur wenige Nummern sind rhythmisch nachvollziehbar. Zu diesen gehört “There, In Theatre”, das im 4/4-Takt nicht weniger durchgeknallt klingt.
Wer denkt, Davis sei Autodidakt, der in den Sphären der New Yorker Avantgarde groß geworden ist, irrt sich gewaltig. Der ursprünglich aus Cleveland, Ohio stammende Davis studierte mit 19Jahren in Wien bei Luise Walker klassische Konzertgitarre. Luise Walker galt in ihrer Zeit als eine der bedeutendsten Konzertgitarristinnen überhaupt. Des Weiteren komponiert Davis auch für klassische Gitarre und Ensemble, für Tanz und Filmmusik.
Das einzige, was hier nicht überrascht, ist, dass Davis musikalischer Direktor des ‘Impossible Space Circus of Sun Ra’ ist, der sich um das Vermächtnis der großen spirituellen und musikalischen Lichtgestalt kümmert. Hier schließt sich der Kreis. In dieser Tradition geht es hier von Sun Ra, Miles Davis’ ‘Jack Johnson Sessions’, James Chance oder auch Albert Ayler in ein faszinierendes, futuristisches, afrikanisch beeinflusstes Free-Funk-Universum.
Viele wird der freie Ansatz und das deliriös klingende Klangbild von “Seeds of Djuke” sicher verwirren. Für Andere ist es wohl die Entdeckung der letzten Jahre.
“Seeds of Djuke” ist 2009 auf LiveWired Music erschienen.
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