Hörenswert: Pom Poko – „Champion“
Norwegen! Der Bandname ein Filmtitel von Studio Ghibli! Und es ist Post-Punk-Pop!
Pom Poko ist eingängige Refrains, ist Überdrehtheit, ist detailreicher Punk, Indie, Rock und die Nuancen dazwischen – und „Champion“ ist neue, entspannte Coolness, die sich über das erst kürzlich aufgeräumte Chaos legt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 6.9.24 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 12.9.24 ab 00:00 Uhr
Growing Story
Die Osloer Pom Poko sind eine Post-Punk-Band mit Pure Norwegian Punky Sweetness, die sich seit ihrer Gründung 2017 schnell einen ausgezeichneten Live-Ruf erspielte und bereits 2018 einen Platz auf der „100 Bands to Watch“-Liste des NME ergatterte, mit einer Kombi aus Punk-Attitüde und nerdigem Wissen über Popgeschichte.
Ragnhild Fangels süßes Sing-Sang-Krakeelen mischt sich seitdem mit intensivem Groove, hüpfenden Gitarren und verrückten Riffs ihrer Band, bestehend aus Martin Tonne (guitar), Jonas Krøvel (bass) und Ola Djupvik (drums). Hier wird Testosteron reduziert und der Zuckerrausch angestrebt, ready für die K-PUNK-Explosion.
„Champion“ ist das dritte Album und setzt den verrückten, unverwechselbaren Sound der beiden Vorgänger „Birthday“ (2019) und „Cheater“ (2021) fort: Ragnhilds glasklare Stimme schwebt über einem wahnwitzigen Trip aus Post-Punk, Indie-Rock und allem, was sonst noch in eine laute, schillernde Partynacht passt. Aber jetzt sind Pom Poko auch schon etwas erwachsen geworden, sind aufgeräumter, ja nachdenklicher und wissen, wann man sich einfach mal zurücklehnen und den Moment genießen sollte – wie beim Barbecue mit alten Freunden. Aber auf den juvenilen Leichtsinn und die völlige Spielfreude wird noch lange nicht verzichtet. Kam „Birthday“ noch mit gesalzenen Gulaschkanonen, überfällt jetzt der Post-Punk und Math-Pop nach eigenen Regeln die Party, in der Manier von Porridge Radio, Deerhoof oder Duchess Says.
Big Life
Indie-Rock-Meditationen, Loslassen von überzogenen Erwartungen, Erwachsenwerden: Der Opener „Growing Story“ bringt gleich in guter Punk-Manier das Coming-of-Age-Motiv auf den Tisch, mit Blues und Garage-Rock, die locker als Soundtrack zu einem etwas schrägen Roadtrip durch die Fjorde Norwegens passen könnte (im Sommer, versteht sich).
Schwere Gitarren, zurückhaltendes Songwriting und Reduktion auf die basic needs: „Inside, Outside, Start a band / To get some money / Kick drum, free love / This can be our growing story”. Und doch bleibt es ein Garagen-Song, der grade so nicht aus dem Ruder läuft. In „My Family“ erwachsen die Gitarren ins Bombastische, die Refrains knallen nur so rein und offenbar meinte auch die Labelchefin, dass das der Pom-Poko-Green-Day-Song ist. „Champion“ kommt mit einem Augenzwinkern daher: Was heißt es eigentlich, ein Champion zu sein? Und was, wenn man plötzlich merkt, dass die goldenen Ziele gar nicht mehr so wichtig sind? Und ja, die Idee zu dem Song kam Ragnhild, während sie auf einen Parkplatz starrte (Zen-Level: Parkplatzmeisterin).
Eine sehr seltsame und wirklich nette kleine Gang
Geht es bei „Champion“ nun um Ruhm? Um Trophäen? Um Stockerlplätze? Für Pom Poko ist das eher wie auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt abzuhängen und darüber nachzudenken, was es bedeutet, ein echter Champion zu sein – oder eben auch nicht. „Es fühlt sich an, als würden wir gemeinsam reifen und erwachsen werden“, sagt Ragnhild und im Kontext von Pom Poko könnte das auch meinen, dass der Kindergeburtstag im Bällebad zwar souveräner aber immer noch ein bisschen wild wird.
„Wenn man sich nicht ständig mit der Band abmüht, lernt man zu schätzen, was man aufgebaut hat. Es ist wie eine sehr seltsame und
wirklich nette kleine Gang, in der man abhängen kann. Ich habe fast das Gefühl, dass wir Superhelden sind – es ist, als
wäre man ein Teil der Powerpuff Girls.“
Nur dass hier keine Zuckerwatte fliegt, sondern fette Gitarrenriffs. „Champion“ ist auch ein Statement: Zum ersten Mal produziert die Band die Platte selbst, ohne Anweisungen von außen und zu 100% Family Businness. Nach jahrelangem Touren durch die ganze Welt und der Einführung eines streng demokratischen Songwriting-Prozesses wurde Pom Poko zu einer hochsynchronisierten Einheit, die in perfekter Ordnung das Chaos beibehält. Während der Aufnahmen herrschte fast schon zenmäßige Ruhe im Studio. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir quasi telepathisch arbeiten können„, sagt Ola. Abgemischt von Ali Chant (PJ Harvey, Aldous Harding), der hier zum ersten Mal mit der Band zusammenarbeitet, ist „Champion“ eine Fortsetzung von Pom Pokos unverkennbarem Sound, aber mit mehr Kontrolle, mehr Realismus und mehr Reife.
„Champion“ bietet der Band mehr Platz, mehr Freiheit. mehr Raum zum Experimentieren aber eher in Richtung Zurückhaltung, was den Punk nur noch mehr hervorstechen lässt. Es ist ein Champion in Sachen Musik-Machen: Nur vier Freunde, die wissen, wie man zusammen laute, schillernde und tighte Musik macht und dabei einen Haufen Spaß hat.
„Champion“ von Pom Poko ist am 18. August 2024 bei Bella Union erschienen.
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