Hörenswert: „Soul Jazz Records Presents Deutsche Elektronische Musik 3. 1971-81“
Diese Musik ist etwas ganz Besonderes. Es ist die Dokumentation einer der kreativsten und alle Grenzen sprengenden Phasen der deutschen Pop-Kultur, die auf Basis von Dekonstruktion einen ganz eigenwilligen, experimentellen Stil entwickelte, der oft etwas belanglos unter dem Oberbegriff ‚Krautrock‘ zusammengefasst wird.
Was sich wie eine musikwissenschaftliche Abhandlung anhört, entpuppt sich als eine oft sphärische, ja spirituelle Reise in eine abenteuerlustige Musikwelt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 12.01.18 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 18.01.18 ab 00:00 Uhr.
Wieder einmal haben Soul Jazz Records fantastische Archivarbeit geleistet und auf dieser Compilation Aufnahmen von Bands wie Pyrolator, Roedelius oder Bröselmaschine zusammengetragen, die mit „Schmetterling“, „Lustwandel“ oder „Die Haut der Frau“ betitelt sind (hier bekommt man schon eine vage Vorstellung vermittelt, was einen erwartet).
Mit Georg Deuter, Popol Vuh oder Achim Reichel sind auch Interpreten zu hören, die vielleicht nicht nur Experten bekannt sind. Da diese 2 CD starke Compilation bereits die dritte der Reihe ist, bekommt man zudem einen Eindruck davon vermittelt, welches Ausmaß diese kreative Explosion gehabt hat. Zwar sollte man bei Compilations immer aufpassen, da viele den ganzen Schrott mitverkaufen, doch wenn Soul Jazz drauf steht, kann man in der Regel nicht viel falsch machen.
Klangreisen in eine vergessene Zeit
Alle 23 Titel erklingen fast wie aus einem Guss. Es sind, abgesehen von ein paar Ausnahmen, Klangreisen in eine fast vergessene Zeit; in der nach etwas Höherem gestrebt wurde als nach dem schnöden Mammon: Horizonterweiterung, Spiritualität, ja sogar Erleuchtung. Dementsprechend ist der Musik kein Weg zu weit und nicht zuletzt das Studium außereuropäischer Musik war für viele Musiker wegweisend. Zum Teil entfernten sich die Musiker aber wieder völlig von irgendwelchen Vorlagen aus Übersee und kreierten etwas ganz eigen klingendes Selbstständiges, Genresprengendes.
Sicherlich hat diese Musik der deutschen Punk-Bewegung mit ihrem anarchistischen Streben viel zu verdanken. Nach der Dekonstruktion ließ sich aus den Bruchstücken viel eigenständigere Musik machen, an der insbesondere die ihr innewohnende Abenteuerlust, das Verachten des Kommerziellen, und die Grenzen sprengende Experimentierfreudigkeit faszinierend sind. Inzwischen sind Genre-Grenzen fließend, zwischen Helene Fischer und Donna Summer kaum noch ein Unterschied. Die Märkte sind einander angepasst. Immerhin haben sich mit Schmutzki oder Wunderkynd wieder ein paar eingängig klingende Bands gebildet, die den Punk etwas höher halten als Adel Tawil. Die Musik, die auf Deutsche Elektronische Musik 3 zusammen gestellt wurde und die nun schon um die 40 Jahre alt ist, kommt einerseits wie ein Relikt, wie ein Tondokument aus längst vergangenen Tagen daher. Andererseits erklingt sie wie ein Weckruf, eine Ermahnung.
Daran, dass es auch möglich ist, Experimente zu wagen und die Andersartigkeit zu feiern. Sturm und Drang der deutschen Siebziger Jahre auf einer grandios zusammengestellten Compilation.
pura vida sounds: UNGERICHTETE AGGRESSION DER BEFREITEN GERÄUSCHE – DIE…
Das Album ist am 1. Dezember 2017 auf Soul Jazz erschienen.
TRACKLIST:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
1. Klaus Weiss – Wide Open Space Motion
2. A.R. & Machines – I’ll Be Your Singer, You’ll Be My Song
3. Deutsche Wertarbeit – Deutscher Wald
4. Dzyan – Khali
5. Missus Beastly – Geisha
6. Alex – Derulé
7. Agitation Free – In The Silence Of the Morning Sunrise
8. Georg Deuter – Pearls
9. Michael Bundt – The Brain Of Oskar Panizza
10. Popol Vuh – Ja, Deine Liebe Ist Sußer Als Wein
11. Novalis – Dronsz
12. Bröselmaschine – Schmetterling
13. Neu! – Neuschnee
14. Between – And The Waters Opened
15. La Düsseldorf – White Overalls
16. Klauss Weiss – Constellation
17. Achim Reichel – Tanz Der Vögel In Den Winden
18. Roedelius – Lustwandel
19. Pyrolator – Die Haut Der Frau
20. Cluster – Hollywood
21. Streetmark – Passage
22. Niagara – Rhythm Go
23. Michael Bundt – Neon
Lass' uns einen Kommentar da