Hörenswert: Soyuz – “Force Of The Wind”
Eine Formation aus Belarus, die ein Album im Stile der brasilianischen Popularmusik aus den Siebziger Jahren herausbringt? Das mag angesichts der politischen Situation in dem totalitären Regime bizarr klingen.
Doch wie aus einem flüchtigen Traum dringen die zarten Klanggebilde mit sowohl russischem als auch portugiesischem Gesang zu uns durch. Mit einem wohl lebensnotwendigen Eskapismus versehen, verführen uns Soyuz von den ersten Tönen ab in ihre fantastischen Traumwelten.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 02.12.22 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 08.16.22 ab 00:00 Uhr.
Es ist bereits das dritte Album dieses Trios, das aus dem Komponisten und Sänger Alex Chumak, dem Multi-Instrumentalisten Mikita Arlou und dem Schlagzeuger Anton Nemahai besteht. Als Gast-Vokalistinnen kommen noch die aus Russland stammende Kate NV und die Brasilianerin Sessa hinzu. Zudem werden Soyuz auf “Force Of The Wind” von dem in New York lebenden türkischstämmigen Perkussionisten Cem Mısırlıoğlu, dem klassisch ausgebildeten Komponisten Simon Hanes, und dem in den Niederlanden lebenden brasilianischen Multiinstrumentalisten Gabriel Milliet unterstützt.
“Force Of The Wind” ist ein Konzeptalbum, eine Verneigung vor den goldenen Zeiten der brasilianischen Popularmusik, die von Künstlern wie Milton Nascimento, Jorge Ben oder Arthur Verocai groß gemacht wurde. Und auch wie auf ihren Vorgängeralben, die sich beide mit der nicht englischsprachigen jazzigen Popularmusik beschäftigten, haben Soyuz auch die brasilianische Popularmusik grundlegend erforscht und analysiert. Doch “Force Of The Wind” ist alles andere als ein billiger Abklatsch. Vielmehr bleibt das Album bis zuletzt ungreifbar. Es sind durchaus einige phänomenologische Zuordnungen zulässig, wie ‘Retro’, ‘Brasilianisch’ oder meinetwegen auch ‘Easy Listening’. Doch wird so in keinster Weise die bizarr anmutende Schönheit der Musik beschrieben, die wie ein flüchtiger Hauch aus einer fernen Welt zu uns dringt.
Mit dem Impetus einer leichten Sommerbrise säuselt sich Sänger Alex Chumak auf Russisch durch das Album. Es ist erstaunlich, wie gut die russische Phonetik zu dem brasilianischen Kontext passt und mit diesem eine ganz harmonische Bindung eingeht. Ein zartes Rhodes, Flöten, Akustikgitarren, ein Retro-Basssound, dezente Streicher und ein gefühlvolles Schlagzeug machen die Orchestrierung aus. Die neun recht kurzen Nummern dieser EP sind kompositorisch klug aufgebaut und trotz der seicht anmutenden Stimmung fehlt es nie an Spannung. Das liegt auch an dem ein oder anderen flotten Solo und an den psychedelischen Space-Sounds, die durchs gesamte Album wandern.
Soyuz liefert mit “Force Of The Wind” ein sehr eingängiges Album ab, das gleichzeitig seicht und kraftvoll klingt. Trotz des brasilianischen Klanggewands bleibt das Album stets geheimnisvoll und wirkt, als komme es aus einer zeitlosen Zauberwelt. Ein Album für alle melancholischen Traumtänzer.
“Force Of The Wind” ist am 28.Oktober 2022 auf Mr Bongo erschienen.
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