Hörenswert: The Whitefield Brothers – „Earthology“
Polyrhythmische Rarefunk-Gooves. Die Whitefield Brothers befreien auf „Earthology“ den Funk von aller überflüssigen Sterilität und poppigen Glätte, mit denen er im Reich der digitalen Mainstream-Produktionen gerne verwässert wird. Zusammen mit Musikern aus der New Yorker Soul- und Funkszene erzeugen die Whitefield Brothers einen wunderbar dreckigen und ungeschliffenen analogen Sound, der als Basis für Improvisationen dient, die sich jeglicher genaueren geografischen Zuordnung entziehen. Ein Rarefunk-Album, das diesen Namen auch wirklich verdient hat.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 26.02.10 ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 04.03.10 ab 00:00 Uhr.
Hinter den Whitefield Brothers verbergen sich die beiden in München geborenen Brüder Jan und Max Weissenfeldt, die seit den frühen 90er Jahren (damals noch unter dem Namen Poets of Rhythm) beständig in der globalen Funk-Szene mitmischen. Bereits 2001 erregten sie internationales Aufsehen, als sie das Album „Raw Funk“ in New York produzierten, das sich am Sound von den Meters, James Brown, Sun Ra, und nicht zuletzt Fela Kuti orientierte, ohne dabei den üblen Beigeschmack eines Retro-Albums zu erzeugen. Dazu war das polyrhythmische Groovekonzept der Brüder auch zu eigen und revolutionär.
„Earthology“ ist vielleicht noch einen Tick psychedelischer als „Raw Funk“, aber erneut ist hier die absolut meisterhaft kreierte Polyrhythmik der Motor der Musik. Nicht zuletzt spiegelt sich hier die musikalische Grundausbildung der Brüder in dem legendären Musikerkollektiv Embryo wieder, im dem sie einige Jahre mitspielten. Embryo und ihr Kopf Christian Burchard studierten auf ihren ausgedehnten Reisen Anfang der 70er Jahre intensiv die Musik des Orients. Davon legt das sehr empfehlenswerte Album „Embryos Reise“ musikalisches Zeugnis ab. Von einigen engstirnigen ‚Musikexperten‘ wurden Embryo aufgrund ihres freien Ansatzes oft belächelt.
Mit den Whitefield Brothers macht nun eine Generation von Musikern von sich reden, die sich ihre Fähigkeiten von eben diesem Kollektiv (das übrigens schon zwei Mal im Salzburger Shakespeare gastierte) angeeignet haben und die aus diesem Pool von Musikern immer wieder Gueststars berufen. Zu dieser nächsten Generation gehört auch die Sängerin Bajka. Die Tochter des Embryo-Gründungsmitglieds Uwe Müllrich, die auf einer der langen Reisen Embryos nach Fernost geboren wurde, mache sich bereits mit diversen musikalischen Projekten einen Namen. Nun steuert sie auf dem Opener des Albums Joyful Exaltation ihre wunderbare Stimme bei. Reverse und The Gift sind beides Hip-Hop-Nummern bei denen Gastrapper Percee P, MED, Edan sowie Mr. Lif zu Wort kommen und die energetisch absolut an die älteren Nummern von Public Enemy heranreichen. Wie auf Lullaby for Lagos könnten Fela Kuti und James Brown zusammen im Jaher 2010 klingen.
„Earthology“ ist ein Album mit einem unvergleichlichen handgemachten Sound, einem geografisch nicht genau definierbaren Klanggebilde und einer Polyrhythmik in dem der Mythos Embryo unüberhörbar weiter lebt.Mit dem Paradoxon des zeitgemäßen Anachronismus ist „Earthology“ der Pickel im digitalen Gesicht des 21. Jahrhunderts.
Das Album ist am 19.01.2010 bei NowAgain erschienen.
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