Hörsturz #8: CBA – die Radiothek der Freien Radios
Bereits seit den 1990ern nutzen die österreichischen Freien Radios digitale Verbreitungswege, um im gemeinnützigen Interesse eine Vielfalt an Beiträgen zum kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Geschehen Österreichs bereitzustellen.
Im 1999 gegründeten „Cultural Broadcasting Archive“ stehen unter http://cba.fro.at mehr als 50.000 Beiträge frei zugänglich zum Nachhören zur Verfügung. Die von den Mitgliedern des Verbands Freier Radios getragene Plattform ist damit heute die größte, offene Online-Radiothek Österreichs. Auch für den Programmaustausch zwischen den Stationen bildet das CBA nunmehr seit 15 Jahren die technische und organisatorische Grundlage und ist daher aus dem Alltag der Radios nicht mehr wegzudenken.
Eine Vielzahl der Beiträge thematisiert lokale oder regionale Themen, darunter vorwiegend medial wenig beachtete Diskurse. Sie reichen von Programmen ethnischer Minderheiten über Frauen-, Medien- und Migrationspolitik, Globalisierungskritik bis hin zu Kunst, Literatur, autonomer Kulturarbeit, Philosophie und vielem mehr. So dokumentiert der Bestand einen wesentlichen Teil des zivilgesellschaftlichen Engagements Österreichs und gibt marginalisierten Anliegen und Positionen entgegen der Flüchtigkeit des Mediums Radio auch einen dauerhaften Ort. Auf diese Weise steht das Medienarchiv auch als zeitgeschichtliches Dokument frei zur Verfügung, in dem recherchiert und geforscht werden kann. Hören Sie rein!
Der Offenheit und Unabhängigkeit verpflichtet
Das Cultural Broadcasting Archive wurde von Beginn als offenes Archiv betrieben. Als eines der ersten Projekte in Österreich hat es den Großteil seiner Inhalte unter eine Creative Commons Lizenz gestellt. Durch den Einsatz ausschließlich offener Software und Standards wird eine langfristige Aufbewahrung und Nutzung sichergestellt. Um den möglichst freien Zugang zu dieser Vielzahl an Inhalten zu gewährleisten, betreiben die Radios die komplette Serverinfrastruktur selbst. Durch die klare Non-Profit Ausrichtung und die Werbefreiheit wird zudem gesichert, dass keine ökonomischen Verwertungsinteressen an den Inhalten und NutzerInnendaten entstehen, die eine freie Weiterverwendung behindern.
Denn die Nutzung kommerzieller Online-Plattformen wie Youtube, Soundcloud, etc. führt zu einem Verlust der rechtlichen Kontrolle über eigene Inhalte und oftmals zu einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten. Die kommerzielle Verwertung kreativer Leistung auf Kosten der UrheberInnen ist in diesem Kontext bereits gängige Praxis. Die zunehmende Einengung des Internets auf wenige große Monopole medialer Öffentlichkeit zwingt zudem die Menschen in Abhängigkeit und verhindert damit nicht nur inhaltliche Vielfalt, sondern gefährdet auf Dauer auch den freien Zugang zu Information. Vielfach ist nicht absehbar, ob der Zugang zu solchen Plattformen auch in Zukunft kostenlos sein wird. Dies alles behindert die Idee einer freien Wissensgesellschaft, in der der offene Zugang zu historischen sowie zeitgenössischen Wissens- und Medienproduktionen gewährleistet ist. Um Unabhängigkeit, Meinungsfreiheit und -vielfalt auch in der digitalen Sphäre dauerhaft zu sichern wird es deshalb immer wichtiger, auch im Netz gemeinnützige, werbefreie Plattformen zu fördern, so wie es auch im analogen Rundfunk der Idee der Freien Medien entspricht.
Neue Herausforderungen
Unter dieser Perspektive stellt das CBA für die Radios auch ein wesentliches politisches Instrument in einer zusehends digitalen Medienlandschaft dar, in der sowohl die Alleinstellungsmerkmale als auch die politischen Ansprüche der „alten“ Leitmedien in einem konvergenten Netzmedium – und dadurch auch in einem neuen medienpolitischen Umfeld – aufgehen. Denn zentrale Konzepte Freier Medien, wie der Offene Zugang, richten sich an die demokratischen Defizite eines analogen Mediensektors und bedürfen zunehmend einer zeitgemäßen Übersetzung in die Onlinesphäre. So sind neue medien- und netzpolitische Anstrengungen nötig, um Meinungsfreiheit und -vielfalt unter veränderten Rahmenbedingungen dauerhaft zu gewährleisten. Vor allem rechtliche Einschränkungen behindern vielfach den offenen und ortsungebundenen Zugang zu digitalen Inhalten, selbst wenn sie im gemeinnützigen Interesse produziert und im Falle der Freien Radios sogar durch die öffentliche Hand mitfinanziert wurden.
Die vom Verband der Freien Radios in Auftrag gegebene Studie „Gemeinnützige Medienarchive in Österreich“¹ und die beiden Konferenzen Archivia12 und Archivia14 lieferten diesbezüglich wichtige Grundlagen für eine weitere vernetzte Arbeit mit anderen Freien Medien und öffentlichen Archiven, die sich aufgrund der abzusehenden Harmonisierung nationaler Urheberrechtsgesetzgebungen in den nächsten Jahren vor allem auf europäische Ebene verlagern wird. Denn das Interesse der Allgemeinheit am freien Zugang zu Information und an Meinungspluralität darf nicht wegen Verwertungsinteressen einzelner unterwandert werden, sodass gerade den Freien Medien als gemeinnützige, zivilgesellschaftliche Plattformen in Zukunft eine besondere Bedeutung in dieser wichtigen politischen Frage zukommt.
Ingo Leindecker ist Bildender Künstler, Kulturarbeiter und Webentwickler. Er arbeitet als Teil des Leitungsteams an der konzeptionellen und technischen Weiterentwicklung des CBA.
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