Hörenswert: King Hannah – „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“
„I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ ist was für Einsiedler und Grenzgänger, für die Melancholischen und die Träumer.
Das Debütalbum der Liverpooler Hannah Merrick und Craig Whittle alias King Hannah ist eine britische Hommage an die amerikanischen Düster-Genres: Folk, Blues-Rock, meditativer Pop und die große Dramatik der weiten Steppen im Herzen.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 25.02.22 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 03.03.22 ab 00:00 Uhr
Die große Sehnsucht von Craig Whittle nach der amerikanischen Weite, die gnadenlose Ehrlichkeit der Lyrics und die katzenartige Eleganz der samternen Stimme von Hannah Merrick begleiten jeden Ton von „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ und setzen das Setting gleich von Beginn an in Szene: Windig zerrende Gitarren und Post-Folk-Blues-Rock-Riffs, Stimmverwandtschaften von Merrick zu Sharon Van Etten, PJ Harvey, Candice Gordon oder Lana Del Ray sowie 1990er-Jahre-Lo-Fi und verhangenen Lyrics erinnern nicht zufällig an David Lynch. Nein, fast müsste man sagen, an Jim Jarmusch, etwa an seinen „The Dead Don’t Die“, ständig pendelnd zwischen Horror und Witz. Mit einer gewissen Grusel-Faszinations-Erotik, ein albumgewordenes Cinema Noir.
Foolius Ceasar
2017 lernten sich Hannah Merrick und Craig Whittle in einer Kneipe kennen, der Anspruch an die gemeinsame Musik war derselbe: Roh, natürlich, sich dabei selbst nicht zu ernst nehmen und geradlinig das Gleichgewicht zu halten, zwischen der menschgegeben Trostlosigkeit und dem Licht des Selbstbewusstseins. So sind die Lyrics inspiriert von Raymond Carver‚eskem Realismus und mäandern befremdlich nahe der Klippe zwischen Wohlbekanntem und tiefem Abgrund entlang, mit Mischung aus Wollen und Angst vor dem Hineinfallen-lassen in die dunkle Stimme Merricks. Lakonisch lauert der Spuk in jedem Song und schließlich auch das Album selbst im Schatten, mit diesem ganz bestimmten Kribbeln im Nacken.
So much water, so close to drone
Düster und im Voodoo-Rhythmus schleicht sich „A Well-Made-Woman“ heran, wie die Katze auf der Jagd am Beginn einer heißen Sommernacht, in immer enger werdenden Feedbackschleifen. Nach einer kurzen Bridge groovt „All Being Fine“ das Album schließlich ein, irgendwo raucht dazu bestimmt eine Zigarette dramatisch vor sich hin. Hier wird alles gut werden, da es längst nicht mehr schlimmer werden kann.
„Big Big Baby“ möchte dem Ex-Freund beim Ersticken an einem Knödel zusehen, „at least that would be mildly fun“. Mit „Ants Crawling On An Apple Stork“ balladiert Whittle Codein-ähnlich in Richtung Bruce Springsteen. „The Moods That I Get In“ wandert in der Dämmerung der Stimmung herum, in der es, kurz vorm Hell-werden, am dunkelsten ist. “If you do not like what I’m singing about / Well, then you really do not have to listen / You can just turn me off” Aber dann bricht die Sonne schließlich mit dem erlösenden Gitarrenriff auf und trocknet die beiden vergossenen Tränen auf der sich wärmenden Erde. Mit „It’s Me And You, Kid“, dessen gedämpfte Melancholie von den Wellen knurrender Gitarren zerrissen wird, kommt King Hannah trotzig und gleichermaßen akzeptierend zum Ende.
Hello darkness my old friend.
“We love Bill Callahan, Kurt Vile and Courtney Barnett, and they have that bleakness, but
there’s also a light in there, a self-awareness. Everything needs to have that balance.
Maybe things are really, really shit, but you can laugh about it too.”
Und so verwundert es nicht, dass mit einem beschwingtem Fuzz-Gitarrensolo und „I’m all I’m ever gonna be“ am Ende zumindest wieder im Gleichgewicht sind. All Being Fine!
„I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ von King Hannah erscheint am 25. Februar 2022 bei City Slang.
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