Rotz im Schatten der Mozartkugel
Rotz im Schatten der Mozartkugel
Konzerteindrücke 1. Mai 09 "Reclaim the Park" (Denkmal Salzburg) von Norbert K.Hund
Vier freundliche Herren betreten die Bühne und verteilen sich konzentriert auf den geschätzten siebeneinhalb Quadratmetern. Spannend. Weder ein stilistisches Subgenre noch eine bestimmte Jugendkulturepoche sind auf den ersten Blick augenfällig. Könnte es etwa tatsächlich sein, dass die Typen da einfach ihre Musik ernst nehmen?
"Wir sind Rotz!" röhrt Sänger Robert zur Begrüßung ins Mikrofon – "Wir sind Dreck!" entfährt mir ein spontaner Willkommensgruß – Punk bleibt genießbar als Philosophie – ohne die toten Posen! Schon wälzt sich mir breiter Gitarrensound entgegen, hüllt mich ein wie dampfender Atem schwitzender Pferde, gleich bin ich auch im Rhythmus mit gefangen, es drängt von tief unten in mir nach Ausdruck – pass bloß auf, dass du den Kopf nicht gegen die Tür knallst. Head bang boing zack – autsch…
Ab der zweiten Nummer verliere ich das Bewusstsein meines tatsächlichen Alters und lasse mich von der (zum Glück) verstehbar abgemischten Stimme entführen. In eine lyrische Welt- und Zeitreise durch die großen Emotionen – und die letzten dreißig Jahre. So etwas wie bleibende Gültigkeit entsteht inmitten vielschichtiger Anklänge an so gut wie alles, was mir lieb und teuer ist. Mitgerissen vergesse ich sogar die geradezu asthmatische Raumnot des überfüllten Etablissements – die wahren Abenteuer sind im Selbst – und an dir kommst du eben auch jetzt und hier nicht vorbei. Wir landen in der Gegenwart.
Stlistische Zuschreibungen? Zu Tode langweilen – oder zumindest halbwegs wirkungsvoll einschläfern lassen – kann ich mich eh zu Hause von allerlei angestrengt aufgebrezeltem Infotainment ideologisch abgestürzter und dann doch noch irgendwie konsumismuskonform untergebracht worden seiender postakademischer Berufszyniker mit Angestelltenvertrag im Fernsehen. Hier tobt das Leben in einem zeitlosen Augenblick greifbarer Glückseligkeit und überzeugt mich zumindest heute – von seiner Sinnhaftigkeit – und von der meines morgendlichen Aufstehens. Dafür kann man wohl dankbar sein.
Ganz hinten an der Bar lehnt der Geist von Rio Reiser und schmunzelt wohlwollend. Konstantin Wecker und Jochen Distelmeyer verlieren sich in ein Gespräch über "Härte ist eine Illusion" während sich NoMeansNo und die Sterne kichernd an einer Polka vergreifen. Der Abend wird eingetrunken. Inmitten von Trubel und Turbulenz steigt still und machtvoll eine Ballade empor, ach – DER wollte man noch viel mehr Raum wünschen!
Doch eben den gilt es nach wie vor einzunehmen und hiermit auch "zurück zu erobern". Speziell im Schatten der Mozartkugel kann immer noch etwas ganz Großes herwachsen. Wer Ohren hat, zu sehen – der fühle! Es muss brennen…
postscriptum:
-> Rotz live und heartcore im Artarium auf Radiofabrik 107, 5 – EP Release Radioshow zur Rettung der Welt im Juni – to be announced – unplugged, unmasked & unpindownable!
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