The Milk Carton Kids – „I Only See The Moon“
Indie-Sanftheit, American Fingerpicking in Moll, Schönheit im Stil von The Shins, James Yorkston, Simon & Garfunkel und Johnny Flynn und sehnsüchtiger Folk.
Nur mit Stimmen und zwei Akustikgitarren, viel Minimalismus und wenig Pathos heulen The Milk Carton Kids mit „I Only See The Moon“ gen Mond.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 30.6.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 13.7.23 ab 00:00 Uhr
North Country Ride
Das inzwischen Grammy-nominierte Indie-Folk- und Akustikgitarren-Virtuosen-Duo – für ihr Debütalbum „The Ash & Clay“ aus 2013 für das beste Folk-Album, den Song „The City of Our Lady“ von 2015 und „All The Things That I Did And All The Things That I Didn’t Do“ von 2018 als bestes nicht-klassisches Album – wurden 2011 in Eagle Rock, Kalifornien gegründet, quasi als Neubeginn nach den bislang eher unerfolgreichen Solokarrieren von Joey Ryan und Kenneth Pattengale.
Bandnamenreferenz ist die in den USA in der Vergangenheit übliche Praxis, die Fotos von vermissten Kinder auf Milchpackungen zu drucken. Und damit sind wir schon ganz tief drin, in der Seele der Band, den ätherischen Harmonien, der komplexen Musik mit zeitgenössischer Songkunst, wo das Irdische im weit entfernten Sternenstaub verwirbelt wird.
Die Milk Carton Kids sind Meister der Introspektion und musikalischen Intimität und verträumen auf „I Only See The Moon“ noch mehr ihre charakteristischen Klangwelten, wie eine nächtliche Reise. Die Stimmen von Kenneth Pattengale und Joey Ryan, exakt harmonierend und im Zwischenbereich des Wohlfühlen und Sorgen angesiedelt, verflechten jenseitige Anmut und Gitarrenarbeit, ohne dass das komplizierte Fingerpicking und die zarten Schläge der Songs an zuwenige Tiefe oder Textur zu leiden hätten. Spärliche Arrangements und makellosen Aufnahmequalität waren noch nie so dicht.
Running on Sweet Smile
Jeder Titel ist eine sorgfältig ausgearbeitete Geschichte, gefüllt mit poetischer Lyrik, voller Kontemplation. Produziert von Pattengale und aufgenommen bei Heritage Recording Co., Far Cry und Silent Zoo, wird „I Only See the Moon“ eröffnet mit herrlichen Hintergrundharmonien und Hypnose in „We’ve got all time in the world to kill“ und läasst dich dann auch nicht mehr los. „Star Shine“ lebt in dem zweideutigen Raum zwischen Nostalgie und Bedauern, in dem es sich manchmal so anfühlt, als wäre es ein und dasselbe. „Wheels and levers“ scheint wie die melancholische Version von „Happy Together“ von The Turtles und mit Harmonien, die an die „Once“-Stars Glen Hansard erinnern. „One True Love“ schwingt wieder traditioneller und ähnlich wie Scarborough Fair und „Body and Soul“ ist a very old fashiond County am Ol’ Man River; stiefelstampfend, rasant und als Appalachian-Publikumsliebling. Schließlich sollte der Spaß auch nicht fehlen.
Keep calm and Slow down
„I Only See The Moon“ ist beim einen Mal Hören melancholischer Folk, beim anderen Mal sorgfältige Indie-Handarbeit und wieder ein anderes Mal ist es eine Atempause von allem. Die fein kuratierten Songs sind zeitlos, verweilen unterbewusst und liegen weiter in der Luft wie die ersten Sommernächte, mit der richtigen Portion Oh-Oh-Ohhs und amerikanischer Folklore ohne Pathos und nur mit notwendigem Drama.
Die Unaufgeregtheit von The Milk Carton Kids möchte man haben. Dann wäre alles ein bisschen besser und der Mond die beruhigende Konstante.
„I Only See The Moon“ von The Milk Carton Kids ist am 19. Mai 2023 bei Far Cry Records-Thirty Tigers erschienen.
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