Sonntag, 30. April 2023 um 17:06 Uhr
Auslöschung
An diesem Sonntag im April jährt sich zum 85. Mal die “Salzburger Bücherverbrennung”, die kurz nach dem “Anschluss” Österreichs 1938 von fanatisierten Salzbürgern (und -innen!) inszeniert worden ist. Und auch in diesem Jahr lädt die Inititive Freies Wort wieder zum Gedenken an die Auslöschung von Gedanken, Worten und eben auch menschlichen Existenzen ins Literaturhaus – zum “Widerstand” (am Sonntag, 30. April um 11:00 Uhr). Wir fragen uns, wer damals aller “verbrannt” worden ist und was die da so geschrieben haben, dass es gar so dringend “ausgemerzt” werden sollte. Wir bieten Innenansichten aus dem Werk von Stefan Zweig und überlegen uns, was das mit einem Autor (oder einer Autorin) macht, wenn er/sie in Todesangst aus der eigenen Sprachheimat weg muss.
“Aber wenn auch nur ein Wahn, so war es doch ein wundervoller und edler Wahn, dem unsere Väter dienten, menschlicher und fruchtbarer als die Parolen von heute. Und etwas in mir kann sich geheimnisvoller Weise trotz aller Erkenntnis und Enttäuschung nicht ganz von ihm loslösen. Was ein Mensch in seiner Kindheit aus der Luft der Zeit in sein Blut genommen, bleibt unausscheidbar. Und trotz allem und allem, was jeder Tag mir in die Ohren schmettert, was ich selbst und unzählige Schicksalsgenossen an Erniedrigungen und Prüfungen erfahren haben, ich vermag den Glauben meiner Jugend nicht ganz zu verleugnen, dass es wieder einmal aufwärts gehen wird trotz allem und allem. Selbst aus dem Abgrund des Grauens, in dem wir heute halb blind herumtasten mit verstörter und zerbrochener Seele, blicke ich immer wieder auf zu jenen alten Sternbildern, die über meiner Kindheit glänzten, und tröste mich mit dem ererbten Vertrauen, dass dieser Rückfall dereinst nur als Intervall erscheinen wird in dem ewigen Rhythmus des Voran und Voran.”
So beschreibt Stefan Zweig im Exil rückblickend seine verlorene Welt der Sicherheit – in seinen posthum erschienen Erinnerungen eines Europäers Die Welt von Gestern. Traurig, aber wahr.
Und die Frauen? Wir haben eine Dichterin entdeckt, die nach ihrer Vertreibung dort geblieben ist, wo man sie aufgenommen hat – und die das Tragische des Dichters im Exil in ihrem gleichnamigen Gedicht meisterhaft zum Ausdruck bringt. Damit wollen wir euch jetzt euren Zuständen überlassen – und euch zugleich zum Zuhören einladen, denn in unserer Sendung gibt es noch mehr zu entdecken von und mit Bertolt Brecht, Theodor Kramer, Stefan Zweig, Carl Zuckmayer – und eben jene Stella Rotenberg:
Der Dichter im Exil
Mir muss Vergessenes reichen;
mit Verschollenem halte ich Haus.
Aus Verdämmerndem klaube
ich Scherben von Silben zu Wörtern heraus.Das sind noch gesegnete Tage.
Scherben sind endlicher Hort.
Wo hole ich, wenn die Verstummung kommt
Buchstaben für mein Wort?
PS. Empfehlenswerte Materialsammlung, bereitgestellt vom Friedensbüro Salzburg– rund um die Salzburger Bücherverbrennung und durchaus noch darüber hinaus.
Sendungen zum Nachhören
Jenseits von Jedem
Wie es inzwischen zur guten Gewohnheit geworden ist (“Es muss feste Bräuche geben, sagte der Fuchs”), spielen wir auch am heutigen Sonntag nach der Perlentaucher-Nachtfahrt wieder ein ganzes Album. Die bis zum Prädikat epochemachend stilprägende Band Blumfeld rund um den Autor und feinwahrnehmenden Musikpoeten Jochen…
Irgendwas mit Poesie
Da war doch was … in unserer letzten Sendung (mit Rupert Madreiter) reisten wir zurück in eine gemeinsam erlebte (und sehr spezielle) “Nacht der Poesie”. Und diesmal wollen wir etwas von dem, was in jener Nacht so eine erstaunliche Macht entfaltete, im Hier und Heute…
Living in The Past
Überraschendes von und mit einem Überraschungsgast. Soviel sei vorab verraten: Unlängst manifestierte sich ein jahrzehntelang aus meinem Blickfeld geratener Jugendfreund als wieder öfterer Gesprächspartner und es stellte sich heraus, dass uns viel mehr verbindet als lange Zeit angenommen. Dass wir, jeder für sich, über einzelne…
Scheiterhaufen – O.K.! (Album)
Wir sind Perlentaucher. Und manchmal stellt sich die Frage, wo so ein im Strom der Gezeiten angefundenes Kleinod (die wir in unseren Radiobiotopen gern vorstellen) ursprünglich herkommt. Höchste Zeit für eine Berichtigung. Die Rede ist von dem sehr besonderen Album “O. K.!” von Scheiterhaufen, das…
Like A Complete Unknown
“Kommst du mit ins Kino?”, frug ich den Hasen – und schon waren wir mittendrin in der Diskussion unserer inzwischen recht verschiedenen Zugangsweisen: “Ich ertrage keine Synchronfassungen mehr, weil ich mir Filme und Serien seit Jahren nur noch in ihrer Originalsprache anschaue.”, erklärte er. “Für…
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