Hörenswert: Editors – „EBM“
Es ist irgendwann in den 1980ern und aus den dunklen Nachtclubs schallt laut Electronic Body Music. Die Editors ehren auf ihrem 7. Album EBM ihr neuestes Bandmitglied (Editors/Blanck Mass aka Benjamin John Power) und ein Musikgenre, das die Genration der 1980er nicht nur geprägt hat sondern auch zu einem komplett eigenen Musikverständnis führte. Heute stehen alle auf Techno, aber EBM, das war damals die warme Umarmung der Nacht. Wenn du mir glaubst, macht es dich selig.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 4.11.22 ab 14.06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 10.11.22 ab 00.00 Uhr
Ist eines schon länger Fan der Editors, begleiteten sie schon geraume Zeit: 2002 gegründet sind sie spätestens seit ihrem Debütalbum „The Back Room“ von 2005 mit Songs wie ‚Lights‘ oder ‚Blood‘ oder mit „An End Has A Start“ von 2007 (für den Brit Award nominiert) und den großartigen ‚Smokers Outside the Hospital Door‘ oder dem Titelsong tief in den Herzen der Indie-Lovers verwurzelt. Mit der jetzigen technoiden Wandlung der Editors, die tief in der Elektronik mündet, wird zwar nicht der kantige, aneckende Sound der Ursprungsidee der EBM anvisiert, zu glatt und fast „modern“ ist die Produktion. Aber das macht dennoch einen typischen Editors-Sound aus: Anfang der Nullerjahre lösten sie einen Hype für britische Indie-Musik inmitten der herrschenden Neo-Postpunk-Szene aus und vermögen es seitdem immer anders aber treffsicher, die leichte Melancholie vor dem Abrutschen in die wirklich serious Depression zu bewahren. Immer leicht traurig, übermächtig und schönstes zugleich.
Mit dem aus der Electronic kommenden Musiker und Produzenten Power kommt auch ein Adrenalinstoß. Die Anfangsbuchstaben beziehen sich auf Powers Electro-Projekt, bekennt sich klar zum Menschen und zum Stil. Die Songstrukturen stammen erstmals nicht nur von Editors-Mastermind Tom Smith, sondern die Editors ließen sich bewusst auf völlig Neues ein.
Die Synths schimmern, das Keyboard funkelt.
Und im aufflackernden Licht des Stroboskops gehen langsam und wiegend die Hände in die Höhe. EDM ist gemeinsam mit Industrial Rock und New Wave unter den Top-Genres, die sich neben dem Mainstream in der Musik den Nischen widmete, den Ecken der Clubs, in denen jene standen, die nirgends so richtig dazugehörten. Mit EBM und dem neuen Drive durch Powers knüpfen die Editors ihren Sound an die Electro-Kühle und opulieren die Sounds nahe an die Sisters of Mercy, New Order oder Gary Numan heran. ‚Heart Attack‘ elektrisiert als Operner gleich vorneweg, Smiths ohnehin schon schwarz-samterne Stimme geht runter auf Bassniveau und bebt sich Richtung Magengrube. Im Kern bleibt der Pathos der klassischen Editors-Hymne aber erhalten und thront das Album hinweg catchy und erhaben über der großen Tanzfläche des Sounds. ‚Picturesque‘ treibt atmosphärisch die Loops und ‚Karma Climb‘ ist vom ersten Beat an eine moderne Hymne des Darkwaves, unglaublich authentisch mit der Dichtheit der brachialen Eingängigkeit und The Cure-Ästhetik. ‚Kiss‘ und ‚Silence‘ lassen in ruhigerem Tempo kurz an der schummrigen Party-Bar ausruhen, bevor ‚Strawberry Lemonade‘ oder „Strage Intimacy“ rüber auf den Techno-Floor wechseln.
EBM ist nicht nur ein nostalgischer Rückblick auf die Düster-Genres der 1980er-Jahre und die im Gedächtnis kaum noch aufzufindenden Nächte in den Clubs, sondern eine groovige, krautige und vor allem großartig gelungene Transformation eines Genres, das zwar größtenteils von der Stimmung seiner Zeit lebte, aber dessen Fans sich auch 2022 noch selig zum Beat wiegen.
Ein EBM-Revival, ein neuer Industrial-Sound im Jahr 2022? Wer hätte sich das träumen lassen!
„EBM“ von den Editors ist am 23. September 2022 bei PIAS erschienen.
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