Hörenswert: Fantastic Negrito – “White Jesus Black Problems”
Die komplette afroamerikanische Musikkultur mit einem Hauch Rock’n’Roll und Country geben diesem beeindruckenden Album seine Gestalt.
Bis zu einer Grammy-Nominierung brachte es das fünfte Album des US-amerikanischen Sängers mit seinem krächzenden Falsett, dem bis dahin nicht gerade viel Beachtung auf dem internationalen Musikmarkt zuteil wurde. Mit “White Jesus Black Problems” ist Fantastic Negrito jedenfalls ein kraftvolles Album gelungen, das zwischen Sly Stone und Prince seine musikalische Heimat besitzt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 23.06.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 29.06.23 ab 00:00 Uhr.
Fantastic Negrito besitzt im bürgerlichen Leben den Namen Xavier Amin Dphrepaulezz, unter dem er bereits in den frühen 90er Jahren sein erstes Album veröffentlichte. Nun ist wohl jeder Radiomoderator glücklich, diesen Zungenbrecher nicht aussprechen zu müssen. Es ist schwer zu sagen, was die Karriere des heute 54-jährigen Kaliforniers noch so spät angekurbelt hat. Jedenfalls hatte Dphrepaulezz 1999 einen Autounfall, den er nur knapp überlebte und ihn seinen Plattenvertrag kostete (so viel zu sozialen Absicherung von Künstlern). Im Nachhinein empfand Dphrepaulezz die Auflösung seines Plattenvertrags als „Erleichterung“, so erzählt er.
Was dieser Schicksalsschlag genau bewirkt hat, darüber lässt sich nur fabulieren. Jedenfalls ist Dphrepaulezz mit “White Jesus Black Problems” ein grandioses Album gelungen, das einerseits sehr eigenständig wirkt, aber auch an vieles erinnert: So spielte die frühe Musik von Prince bei einigen Nummern, oder auch nur kleineren Abschnitten sicher Geburtshelfer. Gerade stimmlich (aber auch musikalisch) erinnert Dphrepaulezz mit seinem krächzenden Falsett etwas an Sly Stone. Aber auch das Parliafunkadelicment-Thang mit den fetten Fuzz-Sounds ist hier allgegenwärtig. Durch die Paar Country- und Rock’n’Roll-Anleihen besitzt “White Jesus Black Problems” so etwas wie eine übergreifende US-amerikanische Identität, die in dieser Gestalt nur sehr selten eingefangen wird. Alle Serien-Liebhaber über 50 werden sicherlich in der Nummer “Virginia Soil” das Zitat aus der Serie “Ein Colt für alle Fälle” erkennen.
Thematisch wird auf diesem Album die Geschichte einer weißen Magd vertont, die sich im 18. Jahrhundert in einen schwarzen Sklaven verliebt. Diese cineastisch recht oft erzählte Geschichte liefert die Rahmenhandlung für Musik, Texte und die Videos zu diesem Album.
“White Jesus Black Problems” ist ein im guten Sinne altmodisches Album, das extrem verspielt ganz viele verschiedene Einflüsse zusammenbringt, ohne dabei den Fokus zu verlieren. Meisterlich ist auch die Soundgestaltung, die mit allerlei Instrumentierungen und unzähligen Effekten arbeitet. Neben den gängigen sind hier auch Theremin und Slide-Guitars auszumachen. Trotz der Eingängigkeit von “White Jesus Black Problems” wirkt das Album aufgrund der vielen Ideen, Interludes und unvorhergesehenen Wendungen vorerst etwas bizarr. Doch das legt sich mit der Zeit.
Für alle, denen “White Jesus Black Problems” zu kraftvoll oder zu überladen erscheint und die es etwas ruhiger haben wollen, sei das soeben erschienene Album “Grandfather Courage” mit den akustischen Versionen empfohlen.
“White Jesus Black Problems” ist am 3.Juni 2022 auf Storefront erschienen.
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