Hörenswert: Gary Bartz & Maisha – “Night Dreamer”
Als Anfang der 90er Jahre der tanzbare Jazz in den Clubs sein großes Revival feierte, wurden von den DJs längst vergessene Aufnahmen aus den Archiven ans Tageslicht befördert, die inzwischen als Klassiker des Genres gelten. Zu letzterem ist auch der wundervoll hymnisch-spirituelle „Celestial Blues“ von Gary Bartz zu zählen, der auf dem Label ‚Luv n‘ Haight‘ wiederveröffentlicht wurde. Mit der britischen Formation Maisha spielte der inzwischen 79 jährige nun fünf Takes ein, bei dem Tradition auf Moderne trifft.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 12.06.20 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 18.06.20 ab 00:00 Uhr.
Dass die britische Jazz-Szene momentan hoch kreativ und hyperaktiv ist, ist inzwischen wohl auch in Österreich kein Geheimnis mehr. Neben Leuten wie Theon Cross oder Shabaka Hutchins gehört dazu auch die sechsköpfige Formation Maisha, die bei Gilles Petersons Label Brownswood beheimatet ist. Dieser mag sich angesichts des recht spirituellen Klanges von Maisha an die Musik der Saxofonlegende Gary Bartz erinnert haben. Denn es war eben Gilles Peterson, der die jungen Briten mit dem alten Amerikaner zusammen brachte.
Um Gary Bartz, der in seinem langen Leben bereits mit Leuten wie Ron Carter, Charles Mingus, Max Roach, Art Blakey oder Miles Davis Musik machte, war es in den letzten Jahren bedenklich still geworden. Insofern ist es umso erstaunlicher, wie energetisch und groovig die fünf Nummern auf “Night Dreamer” klingen. Somit handelt es sich musikalisch keinesfalls um lediglich ein Lebenszeichen des gealterten Meisters: So fragil und plauderhaft, wie man ihn kennt, spielt Bartz hier an der Seite von Musikern, die seine Enkel sein könnten, groß auf (Manchmal ist Alter dann eben Nebensache).
Die schmalen 35 Minuten, aus denen “Night Dreamer” besteht, setzten sich mit „Uhuru Sasa“ und „Dr. Follows Dance“ aus zwei alten Nummern von Bartz und drei neuen Kompositionen zusammen, die, mit einer Ausnahme, alle die sieben Minuten Grenze sprengen. Mit einem hohen Maß an Einverständnis und Können spielen Bartz und Maisha energetisch-spirituellen Jazz-Funk vom feinsten. Nicht mehr und nicht weniger. Sehr ‚tight‘ gespielt und ohne Ausfälle groovt es sich durch das Album. Es überwiegt hier die Tradition mit ihrem 70er Jahre Jazz-Funk, den Maisha wunderbar bedienen kann. Etwas Wildes oder gar Verwegenes, was die neue britische Jazz-Szene zweifellos ausmacht, ist hier leider nicht zu finden. Und irgendwie ist es auch hörbar, dass es sich um ein Projekt handelt und nicht um eine gewachsene Formation. Der schmale kompositorische Output ist da wohl ein Nebeneffekt – wobei Maisha natürlich sehr gekonnt den musikalischen Teppich für den Altmeister ausrollt.
Zu erwähnen bleibt, dass es sich bei den – “Night Dreamer” (Direct-To-Disc Sessions) um ein Format handelt, bei dem alle Aufnahmen in einem Take aufgenommen und direkt auf Platte gepresst werden. Für alle normal sterblichen Musiker wäre interessant, wie oft die vorher geprobt haben (-;
„Orígenes“ ist am 29. Mai 2020 auf Night Dreamer erschienen.
- Wayne Francis- sax
- Shirley Tetteh – g
- Maria Argiro – keyb
- Tomos Dylan – b
- Timothy Doyle – perc
- Jake Long – dr
- Gary Bartz – sax
Lass' uns einen Kommentar da