Hörenswert: Noga Erez – „KIDS“
Noga Erez‚ „KIDS“ hat in seiner Entstehung scheinbar alle Phasen des Lebens aufgesogen. Ein Album von Tod und Teufel, von Verlust und Trauer, Isolation und Herausforderung, von Optimismus und Zukunft: Die Genration der KIDS.
Ein israelisches Pop-Manifest zur Lage des Lebens, der Welt und allem.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 02.04.2021 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 08.04.2021 ab 00:00 Uhr
Dass die Israelis in musikalischer Hinsicht sehr oft sehr coole Sachen machen ist die eine Seite. Dass jede Generation beeinflusst ist von einem korrupten politischen System und davon, einige Jahre ihres Lebens dem Militär zur Verfügung stellen zu müssen, ist die andere Seite. „KIDS“ wirft unter diesen beiden Aspekten Blicke auf fast alle Lebensbereiche seiner Generation, intellektuell durchdacht und unverblümt, hat noch dazu aller düsteren Aussichten und Erinnerungen zum Trotz Spaß dabei und lässt sich nicht unterkriegen.
Wie Noga Erez selbst. Die Musikerin (und Produzentin und Sängerin und Rapperin) aus Tel Aviv war selbst quasi „Militärische Musikerin“ während ihrer Wehrpflicht bei den Israeli Defence Forces und 2017 bereits in der Forbes „Israel’s Under 30“-Liste. Das Elektropop-Albumdebüt „Off The Radar“ im gleichen Jahr setzte den Anfangspunkt eines Werdegangs, das zweite Album „KIDS“ ist in vielerlei Hinsicht breiter und ausladender. 2 Jahre ließen sich Erez und ihr Partner in Crime Ori Rousso für „KIDS“ Zeit und zeichneten durch die Ereignisse in dieser Zeit mit einem sehr breiten Pinsel ihre eigenen musikalische Sprach- und Musikbilder: Hip-Hop und crashy Elektro, basslastig und treibend.
Musik zum feiern, zum stampfen, zum durch die Straßen ziehen und um sich abstrakte Gedanken über die Welt des 21. Jahrhunderts zu machen.
Mal als Pop-Hymne, mal als ernsthafter Spoken-Word-Monolog über Persönliches und Politisches. Eine beizeiten düstere Themenwelt in diesen Zeiten aber Noga Erez weiß sie mit glänzenden Oberflächen zu überziehen und macht damit Lust auf Galgenhumor und „Bark Loud“.
Oszillierend und pulsierend, mit Jungle Beats und starken Einflüssen der Gorillaz, Kendrick Lamar oder Missy Elliott vertont Noga Erez Ereignislosigkeit auf der Couch in „NO News on TV“, der knapp schon wahnsinnige, beschwingte Soundtrack des verkümmerten Interesses an allem. Kurz bevor tatsächlich alles egal wird. Von Kontrollsucht und Abhängigkeiten vergiftete Beziehungen erzählt „You So Done“ und „VIEWS“ kommt mit Manu-Chao-Manier und arroganter Überheblichkeit des Themas mit der Verkrankung des Systems Social Media um die Ecke. „People buy views“.
“These are songs about what we inherit from past generations, how we pass things on. […] How this game of evolution of our culture and humanity is very much in our hands. We were all somewhat a blank page at some point. KIDS talks about humanity’s potential for both beauty and destruction.“
Ein sehr poetischer, sehr abstrakter und aufregend tanzbarer Schlag in die Fresse ist mit „KIDS“ entstanden, der im besten Sinne die richtige Sichtweise auf die Welt bietet, wenn die wieder mal alles andere als gut ist: Einfach mal raus mit und aus den Dingen.
„KIDS“ von Noga Erez ist am 26. März 2021 bei City Slang erschienen.
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