Hörenswert: Stoppok – „Teufelsküche“
Tod und Teufel und Uuuhhh.
In der musikalischen Hölle des Alltags, wo der Fachkräftemangel wie ein Dämon lauert, ist Stoppok der kreative Koch, der sich nicht davon abhalten lässt, Licht in die „Teufelsküche“ zu bringen. Mit seinem 20. Studioalbum beweist der Hamburger Liedermacher einmal mehr, warum er als herausragender Singer/Songwriter des Landes gilt.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 1.3.24 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 14.3.24 ab 00:00 Uhr
Stoppok, mit Ruhrpott-Prägung und einer beeindruckenden Diskographie von 25 Veröffentlichungen, präsentiert eine Sammlung von Songs, die zwischen Folk, Blues und Rock oszillieren, den Sound der Straße aufwirbeln und sinnreich zur Sache kommen. Das Album, von Gästen wie Olli Schulz, Cäthe, Alin Coen, Hannes F Ringlstetter und Fortuna Ehrenfeld begleitet, bietet eine eindrucksvolle Vielfalt und Tiefe, ebenso begleitet von Stoppoks schnoddriger und schmirgeliger Stimme: eingefangen und mit ehrlichem Humor abgeschminkt. Viel vom Ende, aber so wie es soll: Voller Spannung und Erwartung, was bis dahin und darüber hinaus wohl noch geschieht.
Im Wartesaal zum großen Glück
„Teufelsküche“ ist ein reflektierender Optimismus, ein humoriger Abstieg in die Hölle, geerdet, gecheckt und authentisch. Stoppok nutzt die Gastauftritte, um einen überzeugenden Freundeskreis zu schließen und einen eindrucksvollen Sound zu schaffen, der zwischen Himmel und Hölle, Lust und Laune, frisch und frech oszilliert. Das Album, eine gezielte Antwort auf die digitale Überinszenierung, setzt auf das Ehrliche und Verbindende. Stoppok kehrt zur analogen Technik zurück, widersteht der technischen Völlerei und schafft Songs, die für den Moment eingespielt sind – Punktlandungen aus Überzeugung. Für die Aufnahmen zeichnet sich die Langzeitpartner Reggie Worthy und Sebel verantwortlich.
Das Optimale ist, die Live-Energie und Dynamik einer Band im Studio herzustellen. Das ist eine Kraft, die es
zu erhalten gilt. Das Verbindende der Musik, die nur über Direktheit erzielt werden kann, fehlt einfach aktuell.
Ursprünglich wollte der Gastgeber der „Artgenossen“-Abende ein reines Duo-Album einspielen. Der Plan wurde zwar geändert, aber es finden sich auf „Teufelsküche“ dennoch beste Vokalbegegnungen: Gemeinsam mit Olli Schulz zieht uns Stoppok bei „Hier gibt’s nix zu sehen“ in den triebhaften Katastrophen-Voyeurismus und führt uns durch eine Welt, in der es, wenn überhaupt, nichts zu sehen gibt.
Wenn es etwas zu sehen gäbe, hätten Sie es schon längst gesehen
Die bayerische Kabarett-Größe Hannes Ringlstetter und der hoch sympathische Kölner Indie-Popper Fortuna Ehrenfeld machen sich mit Stoppok ihren fröhlichen Kinderreim auf den vermeintlichen Untergang: „Wir pfeifen auf dem letzten Loch, aber solange wir noch pfeifen, geht’s ja noch.“ In „Wer du wirklich bist“ erzählt Stoppok gemeinsam mit Cäthe – mit heiserem Janis-Joplin-Appeal und dem fiebrigen Ruf nach Freiheit – vom Lebenslauf mit oder ohne doppeltem Boden: wer hinfällt, kann ja wohl auch wieder aufstehen! Obwohl Glück nicht immer glücklich macht, halt dich deshalb lieber am Geländer fest. „Im Wartesaal zum großen Glück“ duettiert sich Stoppok feinstens mit Alin Coen. Und vom Verdrängen, vom Tod und dem Leben – um nichts Geringeres dreht sich „Vom Tod kein Wort“. Die Songs gießen den Weltschmerz der Zeit in fröhliche Visionen und satanische Verse: „Wenn auch der Teufel nicht mehr sicher ist, kommt das Ende ziemlich sicherlich auf uns zu“.
(Kein) Klugscheißeralarm
Die Texte sind sensibel und scharfsinnig, von der Ironie durchzogen, die sich selbst vor dem eigenen Autor nicht verschont (er hatte 2021 einen Herzinfarkt, kurz bevor er den Text zu „Vom Tod kein Wort“ schrieb). Stoppok singt von Weltschmerz und fröhlichen Visionen, von Teufelskreisverkehren und dem positiven Blick auf die göttliche Komödie des Lebens. „Teufelsküche“ ist eine künstlerische Intelligenzleistung gegen die Seuche der digitalen Fassade. In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz den Ton angibt, setzt Stoppok auf Künstlerische Intelligenz – unersetzlich und nicht programmierbar.
Hereinspaziert in Stoppoks Kosmos! In der Teufelsküche brennt noch Licht – der Weg dorthin, vorbei an der Abzweigung zur Hölle (und zu Fachkräften) ist bekanntlich mit guten Vorsätzen gepflastert. Und definitiv mit guten Songs.
„Teufelsküche“ von Stoppok ist am 9. Februar bei Glitterhouse Records erschienen.
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