Hörenswert: StrukturStruktur – “the gestalt”

Was einst mit Philip Glass, King Crimson oder Nik Bärtsch begann, findet in dieser Formation aus Bern seine Fortsetzung.
Mit zwei Schlagzeugern, Gitarre und Bass schichtet das Quartett minimalistische Patterns in schwindelerregende Höhen und lässt so oszillierende und sich stets transformierende Klanggebilde entstehen. “The Gestalt” ist eine Art experimenteller Studie über sinnstiftende musikalische Strukturen und ästhetische Vorstellungen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 23.05.2025 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 29.05.25 ab 00:00 Uhr.
Die grundlegende Idee dabei ist es, musikalische Parameter in kurze Muster (Patterns) zu gliedern. Das kann natürlich die Rhythmik, aber auch Tonhöhen, Dynamik, Melodik und Harmonik, oder auch alle zusammen betreffen. Dieser Ansatz ist so entfernt mit der seriellen Musik verwandt. Viele sehen dabei den klassischen Komponisten Philip Glass mit seiner ‘Minimal Music’ als Pionier dieser Kompositionstechnik. Selbstverständlich existierte die Idee von Patterns bereits seit Jahrhunderten in der sogenannten Volksmusik. Beispielsweise bei den zentralafrikanischen Trommeltechniken und ihrem Interlocking-Prinzip Ziel ist es, oszillierende und schwirrende Gestalten entstehen zu lassen, die eine ganz eigene Wirkung auf die Wahrnehmung entfalten.
Es ist so strukturell

So viel zur Theorie. Und wie klingt das? Ganz unterschiedlich. Im Bereich der Rockmusik fand diese Art von Patterns in der Krautrock-Musik viel Verwendung. Avantgardistische Bands wie King Crimson nutzten Patterns für komplexe Fusion-Sound-Klanggerüste. Nik Bärtsch spricht von ‘Ritual Groove Music’ und bastelt aus Patterns kristallklare, architektonisch anmutende Klangkörper, irgendwo im Spannungsfeld zwischen Komposition und Improvisation.
Das Quartett aus der Schweiz setzt sich aus den beiden Schlagzeugern Simon Scherrer und Silvan Schmid, Gitarrist Vincent Rigling und Bassist Leander Schöpfer zusammen. Während Nik Bärtsch seine Musik mit ‘Module’ betitelt, finden wir hier Namen wie “the gewässer’ oder ‘stoffwechsel.N’. Der Opener “the gestalt” beginnt minimalistisch im Ambient-Stil gehalten, nimmt dann Fahrt auf und wandelt sich zu einem punktgenau gespielten rockigen Schlussabschnitt. “the gestalt” klingt immens vielfältig, ist Kunstmusik auf höchstem Niveau, die vom Klangbild eng an der avantgardistischen Improvisations-Szene Europas angesiedelt ist. Das klingt einmal äußerst minimalistisch, ein anderes Mal sehr rockig, oder auch sehr frei und experimentell.
Die menschliche Wahrnehmung ist extrem auf das Erkennen von Strukturen ausgerichtet und wir versuchen selbst in einer Raufasertapete die Unebenheiten miteinander in Verbindung zu bringen. StrukturStruktur spielt mit dieser Eigenschaft, hinterfragt die allgemeine Wahrnehmung und kreiert Klanggebilde mit schwindelerregenden Mustern. Das erzeugt einen unglaublichen Sog und übt eine etwas irritierende Faszination aus, die in einer komplett anderen Dimension als die Raufasertapete spielt.
“the gestalt” ist am 8. März 2025 auf Unit erschienen.
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