Hörenswert: The Dwarfs of East Agouza – “High Tide In The Lowlands”
Wer keine Lust auf Kunst hat und gerne Format-Musik hört, sollte hier besser gleich aussteigen.
Denn dieses Trio liebt es, einfach so drauflos zu spielen und entzündet in aller Freiheit ein Feuerwerk voller Groove, Kreativität und Vielseitigkeit. Das klingt nicht nur fantastisch, sondern bricht auch mit einigen Grundsätzen der abendländischen Musikkultur.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 14.07.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 20.07.23 ab 00:00 Uhr.
Diese Art Musik zu machen spiegelt sich natürlich erst einmal im Format wieder: “High Tide In The Lowlands” ist ein Live-Mitschnitt von 2017 aus den Ateliers Claus in Brüssel und besteht aus lediglich zwei Nummern, die bestens eine Langspielplatte füllen. Es ist wohl als Ironie der Geschichte zu verstehen, wenn man bedenkt, wie glücklich die Musiker im Jahre 1948 waren, als die Langspielplatte auf den Markt kam und niemand mehr dazu gezwungen war, ein Stück im 3-Minuten-Single-Format einspielen zu müssen. Mit der Ökonomisierung ist die Kürze nicht nur in die Musik zurückgekehrt.
Eine stets wandelnde Klanglandschaft, am Rande des Fantastischen.
Die Art und das Konzept der freien Improvisation, die auf keiner tonalen oder durchgehenden rhythmischen Grundlage basiert, kann natürlich auch kurz sein, braucht aber in der Regel Zeit, um sich entfalten zu können. Und die Dwarfs of East Agouza entfalten auf “High Tide In The Lowlands” eine sich stets wandelnde Klanglandschaft, die am Rande des Fantastischen die Möglichkeiten der musikalischen Parameter neu auslotet. Das beinhaltet auch ein großes Maß an assoziativer und sinnstiftender Freiheit, die uns hier gelassen wird. Fokussiert werden das improvisatorische Zusammenspiel, das Herstellen von atmosphärischen Klanggebilden, das Erzeugen von tranceartig treibenden Strukturen und unsagbar viel mehr Dinge, die das Abendland vielleicht zugunsten von Klangreinheit, Präzision, Technik und Reproduzierbarkeit vernachlässigt hat.
Ein etwas boshafter Gedanke wäre es zu glauben, das Trio schüttele sich diese Musik ohne Konzept und Arbeit einfach so aus dem Ärmel. Denn es ist kaum zu überhören, wie ausgecheckt und zielstrebig das Trio die Klanglandschaften erzeugt.
The Dwarfs of East Agouza bestehen aus Alan Bishop (Bass, Vocals, Altsaxophon), Maurice Louca (Keyboards, Drum Machine) und Sam Shalabi (E-Gitarre) und kann durchaus als avantgardistische ‘Supergroup’ bezeichnet werden, denn die drei Vollblutmusiker, die sich einst eine Wohnung im Kairoer Bezirk Agouza teilten, haben sich mit ihren diversen Projekten einen Namen gemacht.
Für die Radiofabrik schließt sich durch The Dwarfs of East Agouza ein Kreis, denn sowohl Bishop und Shalabi als Mitglieder der Sun City Girls, als auch Maurice Louca wurden hier bereits unabhängig voneinander rezensiert.
“High Tide In The Lowlands” ist am 19. Mai 2023 auf Sub Rosa erschienen.
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