Hörenswert: Web Web x Max Herre – “Web Max II”
Geheimnisvoll und spirituell klingt auch das vierte Album dieser Supergroup, bei der es trotz aller Virtuosität allein um den Ausdruck und die Klangsprache geht.
“Web Max II” ist ein Meisterwerk des zeitgenössischen Jazz mit renommierten Gastmusikern wie Mulatu Astatke, Brandee Younger, Charles Tolliver und eben Max Herre, die mit spielerischer Leichtigkeit diverse Genres in ihren so weltoffenen Sound einbauen.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 08.12.23 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 14.12.23 ab 00:00 Uhr.
Diese Formation ist wohl eine der wenigen zeitgenössischen, die eine ganz eigene Klangsprache entwickelt hat. Und mit etwas Hörerfahrung ist der Sound von Web Web recht leicht zu erkennen. Das klingt mal sehr soulig, mal sphärisch-geheimnisvoll und abhängig von den Gastmusikern nach Gnawa-Musik oder, wie es hier der Fall ist- nach Ethio-Jazz. Doch letzten Endes klingt es immer nach dem Klangideal von Mastermind Roberto Di Gioia. In sieben Jahren des Zusammenspiels verstehen sich die Musiker inzwischen blind und auch im größten Klang-Getümmel ist die gemeinsame Idee immer gegenwärtig.
Diese Idee scheint wohl das Erreichen eines Zustandes voller Spiritualität zu sein, der nur im gemeinsamen Spiel entstehen kann. Und auch, wenn wir die Historie bemühen und an all die Großen des Genres des ‘Spiritual-Jazz’ wie Albert Ayler, Sun Ra oder Pharoah Sanders denken, so sind sehr wohl Gemeinsamkeiten zu erkennen, aber eben auch eine ganz eigene Klangsprache.
betörend-geheimnisvoll und romantisch
Schauen wir uns das Oevre von Bandleader Roberto Di Gioia genauer an, dann wirkt die Vielseitigkeit des Pianisten und Produzenten vorerst etwas verwirrend. Denn Di Gioia produzierte unter anderem für Musiker wie Joy Denalane, Clueso, Megaloh oder Till Brönner, die sich allesamt dem Mainstream verschrieben haben. Das mag so gar nicht zu dem betörend-entfesselten Sound passen, den Web Web hier zelebrieren. Und auch was Di Gioia selbst betrifft, der aktiv mit Jazz-Legenden wie Woody Shaw, Art Farmer, James Moody, Johnny Griffin, Charlie Rouse, Clifford Jordan, Clark Terry, Roy Ayers oder Gregory Porter zusammen arbeitete, und Anfang der 1990er Jahre Mitglied in Klaus Doldingers Passport war, wirkt das wie ein Synkretismus. Offensichtlich hat dieser Ausnahmepianist keinerlei Berührungsängste und findet auch Gefallen an sehr glatten Mainstream-Produktionen.
Jedenfalls hat sich Di Gioia inzwischen ein Renommee erarbeitet, das ihm ermöglicht, Musiker wie beispielsweise die Ethio-Jazz-Legende Mulatu Astatke für seine Formation zu gewinnen. Wobei letzterer den Ruf hat, musikalisch keine Kompromisse einzugehen. Wer die Liste der Gastmusiker liest, muss so erst einmal einen völlig falschen Eindruck von der Musik bekommen, die hier dargeboten wird. Denn “Web Max II” ist keinesfalls ein am Mainstream orientiertes Album, sondern ein spirituelles Meisterwerk, das etwas nach den Siebzigern und auch etwas nach Filmmusik klingt, aber zugleich genauso betörend-geheimnisvoll und romantisch wie die Vorgängeralben.
“Web Max II” ist am 27. Oktober 2023 auf Compost Records erschienen.
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