Hörenswert: John Zorn – Flaga – “Book of Angels, Volume 27”
So produktiv wie wohl kaum ein zweiter veröffentlichte der US-amerikanische Komponist und Musiker in seiner Reihe der “Book of Angels“ die unglaubliche siebenundzwanzigste Ausgabe.
Für dieses Projekt konnte Zorn mit Craig Taborn einen der interessantesten zeitgenössischen Jazzpianisten gewinnen. Zusammen mit Christian McBride am Bass und Schlagzeuger Tyshawn Sorey hat sich hier so etwas wie ein Superstar-Klaviertrio zusammengefunden, das gleich für mehrere Superlative in Frage kommt und Zorns aktuelle Kompositionen mit erstaunlicher Bodenhaftung vertont.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 19.08.16 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 25.08.16 ab 00:00 Uhr.
John Zorn machte sich bereits in den frühen Siebziger Jahren einen Namen als Musiker und Komponist, der sich der Avantgarde verschrieben hat und in der Tradition des Free-Jazz sich stets mit neuen Ausdrucksweisen und alternative musikalische Strukturen beschäftigte. Unvergessen bleiben sicherlich seine „file card“ Strukturen, bei denen improvisierte Musik durch das Heben von Karten, die bestimmte musikalische Aktionen vorschreiben, gelenkt wurde.
Anfang der Neunziger Jahre begann Zorn sich intensiv mit seinen jüdischen Wurzeln auseinander zu setzen. Er gründete das Label Tzadik mit dem Subtitel „Radical Jewish Culture“. Auf diesem Label begann Zorn seine ‚songbooks‘ zu veröffentlichen, die er in drei Kategorien einteilte und die sich alle mit der Verbindung von Jüdischer Musik und (Free)Jazz beschäftigen. Neben dem Masada Book of Songs, dem Book Beriah bildet das Book of Angels den zweiten Teil in dieser Reihe. Die Musik des Book of Angels wählt zwar stets einen freien Ansatz, lässt jedoch kaum eine musikalische Verortung zu, da der Bogen ganz weit von Free Jazz bis Free Metal gespannt wird.
Zu dem Book of Angels werden momentan 316 Kompositionen gerechnet, bei denen es sich um eine Art von Melodien-Sammlung handelt, die folgende Kriterien erfüllen: die Kompositionen müssen von kleinen Ensembles interpretiert werden können und jedes Buch basiert auf einer gewissen Skala. Alle bisher veröffentlichten Ausgaben werden von unterschiedlichen Musikern (meist Trios) umgesetzt.
Craig Taborn, Christian McBride und Tyshawn Sorey schaffen es in der Ausgabe 27 Zorns Kompositionen trotz der hoch explosiven Grundstruktur mal sphärisch oder mal recht lyrisch erklingen zu lassen. Dabei hat man einerseits das Gefühl, als ob dieses Trio um sein Leben spielt. Andererseits kann man nur darüber staunen, mit welcher Gelassenheit und welcher Exaktheit diese fantastischen Musiker sich in interaktive Improvisationen stürzen.
Ob aller Wildheit und Verwegenheit ist hier jedoch immer eine erstaunliche Erdung zu vernehmen. Herausgekommen ist jedenfalls ein fantastisches Album, das sicherlich gleich mehrere Ebenen bedient und ein Exempel von intuitivem Triospiel darstellt. Taborn wurde von einigen Kritikern bisher etwas abfällig als ‚perfekter Sideman‘ bezeichnet. Seine Veröffentlichungen auf dem Label ECM sowie diese hier vorliegende sollten all diese Kritiker eines Besseren belehrt haben.
Das Album ist am 3. Juni 2016 auf Tzadik erschienen.
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