Hörenswert: Gotan Project – „Live“
Das in Paris ansässige Trio Gotan Project veröffentlicht auf einer Live-Doppel-CD ihre Auslegung von zeitgenössischem Tango, was einem Best-Of-Album gleich kommt
Hörenswert. Auszüge der Doppel-CD am Freitag, 05.12.08, ab 14:08 Uhr, Wh am Donnerstag, 11.12.08, ab 00:00 Uhr
Tango galt nicht nur in seinem Herkunftsland Argentinien als Auslaufmodell und wurde erst durch musikalische Erneuerer wie Astor Piazzolla wieder salonfähig gemacht. In Clubs war diese Musik und Tanzform noch bis vor wenigen Jahren unvorstellbar. Dass sich dies änderte, ist nicht zuletzt Formationen wie dem Gotan Project zu verdanken, die Tango in ein neues Gewand steckten, indem sie es nicht scheuten, Electronica einfließen zu lassen, ohne dabei die traditionellen Wurzeln zu verdecken.
Hinter dem Gotan Project stecken der Schweizer Christoph H. Müller, der Franzose Phillippe Cohen Solal, sowie der Argentinier Eduardo Makaroff. Zumindest formal. In der Praxis – sowohl im Studio als auch auf der Bühne – werden sie von einer Vielzahl an MusikerInnen und SängerInnen unterstützt. So auch auf ihren beiden Studio-Alben „La Revancha del Tango“ und „Lunático“. Zu beiden Auskopplungen gab es Tourneen, die jetzt zusammen auf CD gebannt wurden.
Ganz pragmatisch sind CD1 mit „La Revancha del Tango Tour“ und CD2 mit „Lunático Tour“ betitelt, was aber nicht heißen soll, dass auf CD2 ausschließlich Stücke des Lunático-Albums enthalten sind. CD1 wurde im Dezember 2003 in London, CD2 im Juni 2007 in Neuchâtel aufgenommen. Die Klangqualität ist hervorragend.
Große Neuerungen gegenüber den Studio-Alben gibt es nicht, auch wenn die Live-Stücke meist länger ausfallen, die Arrangements etwas variiert wurden und für die Elektronik die Tür der Echokammer schon mal weiter aufgerissen wurde.
Zudem finden sich mit „Nocturna“, „Sola“, „Che Bandonéon“ (Interlude) und „El Norte“ Stücke, die auf den Studio-Alben nicht vorhanden sind.
Neben den drei Protagonisten von Gotan Project, die für Gitarre, Turntables, Computer und Effekte zuständig sind, darf Frauengesang, Bandoneon und Piano nicht fehlen. Während man sich auf CD1 noch mit einer Violine begnügt, wird auf CD2 mit einem ganzen Streichquartett aufgefahren.
Ohne elektronische Unterstützung
Dass Gotan Project auch gänzlich ohne elektronische Unterstützung auskommt, verdeutlichen die akustisch-orchestralen Versionen von „Santa María“, „Diferente“, sowie die Titel „Nocturna“ und „Che Bandonéon“, bei denen mit Sicherheit auch Traditionalisten ins Schwärmen geraten und sich dem Charme der Musik nicht entziehen können. Sei es zu Hause auf dem Sofa oder mit Partner auf dem Tanz-Parkett.
Wenn man einen Makel ausmachen will, dann den Track „Tríptico“ von CD2, der mit einem etwas uninspirierten House-Beat daherstampft, was man aber bei einer Gesamtlänge von über zwei Stunden Spielzeit leicht entschuldigen kann. Wem diese beiden CDs noch zu wenig sind, kann auf die Box namens „Gotan Object“ zurückgreifen, welche eine zusätzliche DVD mit den Video-Projekten zur Tour, ein 152seitiges Booklet mit Fotos, ein Tourtagebuch, Poster, sowie eine 7″-Vinyl-Single enthält.
Gotan Project präsentiert Tango im Hier und Jetzt, ohne dabei die Wurzeln zu verlieren und strahlt Melancholie und Stolz aus, was stilvoller wohl nicht möglich ist.
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