Hörenswert: Guts – „Estrellas“
Der französische Hip-Hop-Produzent versammelt auf seinem neuesten Studioalbum gute zwei Dutzend Musiker aus drei Kontinenten um sich.
Dieses mächtige Ensemble zelebriert ohne überflüssigen Purismus die afro-kubanische Musikkultur und hüllt diese in ein zeitloses, modernes Gewand. Aus dem Spanischen übersetzt bedeutet der Albumtitel nicht weniger als „Sterne“. Und diese versprühen eine enorme musikalische Strahlkraft.
Hörenswert. Das RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 23.12.22 ab 14:08 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 05.01.23 ab 00:00 Uhr.
„Estrellas“ ist eines dieser Alben, die einen sofort in ihren Bann ziehen. Hoch atmosphärisch spielt sich das Album schon ab Beginn in unsere Ohren: Nach einem kurzen Intro geleitet uns ein elegisches Klavier sanft durch die ersten Takte, bis sich ganz vorsichtig Bass und Schlagzeug dazu gesellen. Audiophile werden darüber staunen, wie raffiniert schon dieses kleine Detail arrangiert und die Frequenzen zwischen Bass und Klavier verteilt sind.
Bei einer Ansammlung von so vielen Musikern aus so vielen unterschiedlichen Nationen scheint die Gefahr recht groß, sich zu verzetteln und etwas völlig Überladenes entstehen zu lassen. Doch dem ist nicht so, denn Guts behält stets den Fokus und das siebzehn Songs starke Album mit knappen eineinhalb Stunden Spielzeit ist ungemein geradlinig, die Arrangements der neu eingespielten Klassiker ungemein klar und das Sounddesign wunderbar transparent.
Dabei wechselt die Besetzung elegant zwischen kammermusikalischer und orchestraler, abhängig davon, was für die einzelnen Titel für nötig erscheint. So entsteht auf „Estrellas“ ein Spannungsfeld, das sich zwischen atmosphärischen und kraftvollen energetischen Klängen bewegt. Auch wenn das Album grundsätzlich einen lyrischen Impetus besitzt, scheut sich Guts nicht davor, den altehrwürdigen afro-kubanischen Songs ein neues Design zu verleihen. Ganz offensichtlich ist dieser Ansatz bei der Neuvertonung des alten Klassikers “Adduna Jarul Naawo”, der 2001 auch von dem grandiosen Orchestra Baobab interpretiert worden ist, wovon drei der Gründungsmitglieder hier mit dabei sind.
Vielleicht ist „Estrellas“ das größte Projekt, das der gebürtige Chilene Guts bisher in Angriff genommen hat. Ein Mann, der sich auch durch seine Hartnäckigkeit auszeichnet. Denn als der ursprüngliche Aufnahmeort Kuba aufgrund der Corona-Pandemie gestrichen werden musste, fand Guts im Senegal recht schnell eine Alternative. Es ist wohl naheliegend, nach Kuba ein Studio in Afrika zu suchen, um ein afro-kubanisches Album einzuspielen.
„Estrellas“ vereint nicht nur Musiker aus unterschiedlichster Herkunft, sondern auch ganz unterschiedliche Musikkulturen. So trifft hier ganz subtil Hip-Hop auf Rumba, Jazz auf Afro-kubanisches oder Kreolisches auf Soul. Trotzdem ist „Estrellas“ ein ungemein schlüssiges Album geworden, bei dem die Musiker ganz offensichtlich das gleiche Ziel verfolgen: den Stern der afro-kubanischen Musik in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Hierfür konnte Guts neben dem musikalischen Kosmopoliten David Walters das Who-is-who der Weltmusik vereinigen und schafft mit diesem ein großartiges und unterhaltsames Album, dem es nicht an Tiefgang fehlt.
„Estrellas“ ist am 21. Oktober 2022 auf Heavenly Sweetness erschienen.
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