Hörenswert: My Baby – „Sake Sake Sake“
Bunte N&Ns, für ein bisschen Freude zwischen Unentschlossenheit, Sonne, Soft Techno und Psychedelischem Dreampop.
Die niederländisch-neuseeländischen My Baby brechen mit „Sake Sake Sake“ eine Lanze für den Ausbruch und rufen mit pumpenden Beats auf, zum Willen für Veränderung. Ein Album gegen den Stillstand, mit verlässlichen Maßnahmen: Blues-Trance-Rave, Tanzen, Schlagzeug und Gitarre.
Hörenswert. RF-Album der Woche ist zu hören am Freitag, 20.05.22 ab 14:06 Uhr, Wiederholung am Donnerstag, 02.06.22 ab 00:00 Uhr
Achtung, Genre-Dropping. Die vielen Einflüsse, Themen, Inspirationen, Lebensziele und Grenzgänge auf „Sake Sake Sake“ passen wunderbar zur allgegenwärtigen, allgemeinen Konfusion der Menschheit, die ja schon seit dem Erlernen des aufrechten Gangs regelmäßig in Sinnkrisen stürzt. Dass My Baby die Ideen Tracks für das neue Album eigentlich schon vor den meisten unserer derzeitigen Problemen kreierten, wirkt retrospektiv natürlich wie ein brutal visionärer Blick in die da kommende Zukunft. Vielleicht war und ist es das auch, die Ahnungen gingen auf alle Fälle schon in die richtige Richtung: Düster, trostlos, unfähig zur Veränderung, verflucht. Nur um dann anschließend wieder herauszufinden, wie man mit völlig neuen Frustrationen und Einschränkungen umgehen kann. So konzentrierten sich My Baby in vielen Songs auf einen Ausblick in eine fast dystopische, hohle Zukunft mit einer Bedrohung durch Aufstände und ökologische Katastrophen.
Keine Sorge, es wird gleich wieder besser. Denn 2020 war eine derart unerwartete Wende, ein Schock, der den Schock davor auflöst und – man glaubt es kaum – zu mehr wurde als nur zur Eigentherapie mit Musik. Psychedelischer Blues-Trance-Rave, ein bisschen EDM und ein innehaltender Schwebezustand, um sich mal wieder ein bisschen mit sich selbst zu beschäftigen. Keine weitere Krise, sondern eine Neubewertung und ein Umschwenken in neue Bahnen. Ein Zurücksetzen auf Werkeinstellungen, ein Reboot der Emotionen. My Baby stellt die Verwundbarkeit seiner Bandmitglieder, die Reaktion und den Umgang mit der Unsicherheit, Angst, Einsamkeit und Veränderung auf die Probe. Und so bilden die Riffs und Rises, die engelsgleich raue Stimme von Sängerin Cato van Dijk sowie pumpende und eindringliche organische Beats jene rohe Wärme, die notwendig ist, um sich dazu aufzuraffen und wieder klarzukommen.
It’s alright, we’re only dreaming.
My Baby sind Frontfrau Cato van Dyck, Schlagzeuger Joost „Sheik“ van Dyck und Gitarrist Daniel „Dafreez“ de Vries und verweilen derzeit in Amsterdam, für „Sake Sake Sake“ arbeiteten sie mit dem fünffachen Grammy-Gewinner Steve Dub (u.a. Chemical Brothers, Daft Punk) zusammen. Der größte Teil der Vorproduktion fand im bandeigenen Studio statt, gemeinsam mit dem langjährigen Wegbegleiter Mozes Meijer, finalisiert wurde das Album mit dem Produzentenduo 22Ghosts. Der Sound entspricht dabei genau den Bedingungen: leicht futuristisch, voller Pop-Overtunes, 90er Nostalgie und endlose Grooves. Inspiriert von Dreamwave Pop und 90er Trip Hop kreieren sie einen so charakteristischen Sound, der hineinzieht, versinken lässt, umhüllt und die Faszien in Bewegung bringt. Den Beats steht man quasi hilflos gegenüber und der Körper will eigentlich nur noch tanzen.
Zwischen unglaublicher Coolness, poppiger Glückseligkeit, Spaß im Discolicht und experimenteller Trance, die sich hin und wieder selbst nicht ganz ernst nimmt, durchleben wir mit „Sake Sake Sake“ Drehungen und Wendungen, endlose Soundwege die irgendwo komplett anders aufhören als die begannen, schlagende Wellen und den Drang, danach wieder auf Play zu drücken. Im Kern kreist die Platte um Innovation: ständige Weiterentwicklung, Evaluierung des Vorherigen, ein Weitergehen in jedem Sinn, ein Weiterdenken der möglichen Themen der Zukunft. Das Trio hat sich zur Aufgabe gemacht, den Bedrohungen mit Groove ins Auge zu blicken.
Klingt meta? Isses auch.
„Sake Sake Sake“ von My Baby ist am 22. April 2022 auf Believe Recordings erschienen.
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