Hörsturz #10: Die Zukunftsmaschine – Rechtsextreme Medienpolitik

Interview mit Judith Goetz
Von David Mehlhart
- Wie kann man das Verhältnis von rechten und rechtsextremen Parteien und außerparlamentarischen Akteuren beschreiben?
Judith Goetz: Rechte Gruppen und Parteien versuchen, etablierte Medien zu delegitimieren, indem sie diese als Lügenpresse oder Systempresse darstellen. Sie sprechen von der „veröffentlichten Meinung” und behaupten, dass es ein hegemoniales Narrativ gibt, welches rechte Positionen ausgrenzen und besonders kritisch beäugen würde.
Sie schaffen eigene Medienkanäle, um ihre Positionen zu verbreiten. Und es gibt die Strategie des „Skandalo-Tainments“. Dass Skandale erzeugt werden, um Aufmerksamkeit zu generieren und damit in der Berichterstattung vorzukommen.
- Wie hat sich das historisch entwickelt?
Judith Goetz: Jörg Haider hat es schon in den 90er Jahren professionalisiert, durch provokante Aussagen oder fragwürdige Positionen einen Skandal hervorzurufen, um im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Die anderen politischen Akteur*innen reagieren auf diesen Skandal und die Medien berichten drüber. Für die extreme Rechte sind Bad News Good News, da ihnen jedes Aufsehen hilft, ihre Positionen in den allgemeinen Diskurs zu bringen und dadurch zu normalisieren.
- Wenn man den Blick auf die FPÖ richtet: Wie sieht die Medienpolitik der Partei aus?
Judith Goetz: Sie greift besonders den ORF an, bezeichnet ihn als „Systempresse“ oder „Rotfunk“. Es werden auch einzelne Journalist*innen stark angegriffen. Die FPÖ inszeniert sich als Opfer der „Gesinnungspresse“. Dabei verkennt die FPÖ, was eigentlich die Grundaufgabe von Journalismus ist, nämlich kritische Öffentlichkeitsbildung.
Die FPÖ hat in den letzten Jahren eigene Medienkanäle aufgebaut. Etwa FPÖ-TV und Social-Media-Kanäle. Insbesondere TikTok ist hier ganz wichtig, um junge Menschen mit prägnanten, überspitzten Botschaften, die sehr stark auf Emotionalisierung setzen, zu erreichen.
- Wenn man einen Blick auf die von der FPÖ betriebenen Medien wirft, welche Themen kommen dort besonders häufig vor?
Judith Goetz: Da stehen Migrations- und Asylthemen sehr stark im Vordergrund und die Ablehnung der „Wokeness-Kultur“, wo auch gegen Klimaagenden geschossen wird. Dann der Themenkomplex Gender, insbesondere Transgender-Themen, wo versucht wird, mit Unwahrheiten und falschen Informationen Angst zu schüren. Zudem sind Anti-EU-Positionen ein großes Thema. Aber es geht auch viel um Angriffe auf die politischen Gegner*innen. Hier will man eine Meldestelle für unliebsame Lehrer*innen einrichten, die menschenrechtsorientierte Bildung praktizieren oder den Rechtsextremismus kritisch behandeln. Das ist schon auch ein sehr krasses Vorgehen.
- Orbans Politik in Ungarn wird bei der FPÖ dezidiert als Vorbild genannt. Wie hat sich dort die Medienlandschaft entwickelt, seit Viktor Orban regiert?
Judith Goetz: Orban kontrolliert die Medienlandschaft, indem er kritische Medien aufgekauft oder ihnen die Förderungen entzogen hat, um kritische Stimmen komplett zu verdrängen, während regierungsfreundliche Medien massiv gefördert wurden. Zudem sind Medien durch Gesetzgebungen zentralisiert worden. Das schränkt die redaktionelle Unabhängigkeit stark ein und ermöglicht Sanktionen gegen kritische Berichterstattung.
Parallelen zur FPÖ sehe ich in Versuchen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stärker einzuschränken. Es werden Einsparungen plädiert sowie die Umgestaltung des Programms. Was bedeuten würde, dass kritische Sendungsformate oder Minderheitenprogramme als erstes gekürzt werden würden. Was in Ungarn zusätzlich stark der Fall ist, ist die staatliche Förderung von „alternativen Medien”. Im Falle Österreichs wären das dann FPÖ-nahe Medien, die so die Positionen der FPÖ weiter verbreiten würden.
- Große Vorhaben wie ein Umbau des ORF brauchen auch immer die Zustimmung des Koalitonspartners. Welche Projekte oder Schritte könnte die FPÖ direkt umsetzen ohne lange Verhandlungen?
Judith Goetz: Ich glaube, das Wichtigste für die FPÖ ist die Finanzierung und damit Absicherung von Alternativmedien, weil es ihnen dadurch möglich ist, ihre Positionen zu verbreiten. Das halte ich für bedeutend leichter realisierbar als eine komplette Umgestaltung des ORF. Das ist, wenn überhaupt, ein sehr langfristig angelegtes Projekt, wo die ÖVP auch nicht einfach mitgehen würde. Die ÖVP hat bislang sehr viel Wert auf klare Kriterien für Medienförderung und Qualitätsjournalismus sowie die Bekämpfung von Desinformation gelegt. Die FPÖ will seit Ewigkeiten die ORF-Finanzierung durch die Haushaltsabgabe (Anm.: vormals GIS-Gebühr) abschaffen. Das würde zu massiven Schwierigkeiten bei der Finanzierung führen. In weiterer Folge wird dadurch die journalistische Arbeit massiv eingeschränkt.
- Nach wie vor ist Covid19 ein zentrales Thema bei der FPÖ, aber auch alternativen Medien. Wie wirkte sich die Pandemie auf die Medienlandschaft bzw. Konsument*innen hierzulande aus?
Judith Goetz: In der Pandemie ist eine Orientierungslosigkeit entstanden. Menschen haben sich die Informationsgeber gesucht, die am stärksten mit einer Entlastung ihrer Ängste einhergingen. Weil Einzelpersonen dadurch bestimmte Verschwörungserzählungen immer wieder gehört haben, schenken sie diesen auch immer mehr Glauben. Fanatisierungsprozesse werden durch diese Struktur beschleunigt.
Wichtig ist, dass man bei den Covid-19-Protestierenden, aber das betrifft zum Teil auch die FPÖ, Angriffe auf Einzelpersonen gesehen hat, die nicht ins eigene Weltbild passen.
Das sind neben Politiker*innen auch Ärzt*innen, aber genauso Journalist*innen. Es kommt auch immer häufiger dazu, dass in solchen Gruppierungen nicht nur verbale Gewalt gegenüber Journalist*innen ausgeübt wird, sondern Journalist*innen auch „Hausbesuche” bekommen; dass an ihren Privatadressen „Botschaften” hinterlassen werden, die die Intention haben, sie einzuschüchtern. Das erschwert die journalistische Arbeit enorm. Und führt dazu, dass Menschen sich wahrscheinlich künftig überlegen werden, ob sie nicht eher zu Mode und Style berichten als über gesellschaftlich herausfordernde Themen, weil sie damit Gefahr laufen, ins Visier von Angriffen zu kommen.
- Ich würde gerne die klassische „Was-tun?“-Frage ansprechen. Kann man Menschen, die noch nicht vollends in Verschwörungsmythen abgetaucht sind, noch erreichen?
Judith Goetz: Menschen wenden sich Verschwörungsmythen nicht zu, weil die Argumente überzeugend sind. Sehr häufig geht es um einen Orientierungsverlust oder Ohnmachtsgefühle. Verschwörungsmythen bieten die Möglichkeit, Orientierung wiederherzustellen und Schuldige auszumachen. Das heißt, im Journalismus nicht nur zu berücksichtigen, was das faktisch richtige Argument ist, sondern diese subjektiv-emotionale Ebene mitzubedenken.
Ein wichtiger Faktor, und das können sich etablierte Medien kaum leisten, wäre, nicht so viel Berichterstattung über die Rechten zu machen. Es ist immer wieder verlockend, weil gerade diese Skandale, wie man sie von den Identitären kennt, sehr leichte journalistische Tasks sind.
Die produzieren mit ihren Aktionen meistens die Bilder, die dann von den Medien unkritisch übernommen werden. Man sollte die Rechten nicht die Themen setzen lassen. Aber auch vorauseilender Gehorsam kann gegenwärtig immer wieder beobachtet werden. Man sollte versuchen, weiterhin kritisch zu sein, anstatt Selbstzensur zu betreiben.
- Zum Abschluss würde ich gerne noch auf die ökonomischen Zwänge zu sprechen kommen, denen Medien unterworfen sind. Insofern Skandale und Clickbait aus wirtschaftlicher Sicht durchaus Sinn ergeben.
Judith Goetz: Ja, das ist natürlich ein totales Problem. Aber gleichzeitig würde ich auch sagen, dass viele Medien, die genau das machen —zum Beispiel Servus TV oder ähnliche — überhaupt kein Interesse an kritischem, meinungsbildendem Journalismus haben, sondern nur Polarisierung und Skandal im Blick haben. Deswegen würde ich grundsätzlich sagen, dass diese Privatisierung am Medienmarkt ein Problem darstellt. Guter Journalismus ist einfach sehr teuer. Auch mit der Einstellung der Printausgaben und der mangelnden Bereitschaft von Menschen, für guten Journalismus Geld auszugeben, verschärft sich die Lage.
Leider sind diese Tendenzen auch immer wieder bei Qualitätsmedien zu erkennen. Auch dort wird oft versucht, polarisierende Positionen zu finden, um mit den Clickbait-Medien mithalten zu können. Insofern wäre auf lange Sicht eine nachhaltige Ausfinanzierung von kritischem Qualitätsjournalismus wünschenswert.
- Vielen Dank für das Interview.
Judith Goetz ist Politikwissenschaftlerin an der Universität Innsbruck und forscht unter anderem zu Rechtsextremismus.
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