Hörsturz #3: Salzburg gut zu hören
Wer hier nicht gespielt wird, hat schon verloren: Salzburgs Musikszene braucht die Radiofabrik – und umgekehrt (von Oliver Baumann)
Die beste Musik. Die meiste Musik. Die größten Hits aller Zeiten! Wer sowas auf der Radiofabrik sucht, wird enttäuscht sein. Hits schmecken rasch wie Fastfood voller Ketchup und Mayonnaise an den Fingern.
Saugeil ist ganz was anderes: Musik als Lebensmittel oder meinetwegen auch als Droge. Ein komplettes Album in einer Sendung. Eine volle Stunde zur Geschichte einer Band. Die MusikerInnen aus meiner Stadt live im Studio. Das gibt’s nur auf der Radiofabrik. Was hier gespielt wird, bestimmt nicht die Quote, sondern mein Geschmack.
Ich bin einer von 300 SendungsmacherInnen. Und wir sind das Radio.
Es ist wunderbar, dass dafür in der Radiofabrik Zeit ist”, meint Tobias Pötzelsberger, Mastermind der Salzburger Band The More Or The Less, während er seine Gitarre wieder in den Koffer zwängt. In der gerade zu Ende gehenden Sendung Götterfunk hat er unplugged Auszüge aus „Keep Calm“, dem Zweitling seines Bandprojekts The More Or The Less, zum Besten gegeben und dazu aus seiner persönlichen wie musikalischen Entwicklung geplaudert. Die Sendung stellt im Werdegang Pötzelsbergers nur einen Mosaikstein dar, für die Radiofabrik ist sie essentieller Bestandteil einer Haltung: Lokale Größen im lokalen Radio.
Denn die Radiofabrik bildet die Realität ab. Und in der Realität Salzburgs verdienen sich hiesige Bands und Musikschaffende mehr HörerInnen, mehr Öffentlichkeit, mehr Aufmerksamkeit als ihnen im kommerziellen Rundfunk zugestanden wird! Dahinter ortet auch Salzburgs Pop-Urgestein(itz) Stootsie einen essentiellen Irrtum: „Wenn die heimische Musik bei uns nicht gespielt wird, dann ist etwas faul. Die Neugier des Menschen auf seine nächste Umgebung darf nicht übergangen werden!“ Das Freie Radio nimmt diesen Instinkt ernst und hat es sich zum Auftrag gemacht ihm gerecht werden: Täglich, wöchentlich oder monatlich präsentieren unzählige Sendungen bzw. SendungsmacherInnen frei von kommerziellem Druck heimische Musikerinnen und Musiker anhand ihrer Tonträger, im Interview oder live im Studio musizierend.
Dazu kommen im nicht moderierten Programm pro Stunde mindestens zwei Titel aus Salzburg. Aus einem Fundus von rund 6500 Titeln von Bands aus Stadt und Land laufen über 500 mit Ansage in der Local-Airplay-List. Nicht redaktionelle Gnade oder joviales Hinwegsehen über Format und Einschaltzahlen, sondern eine in dieser Form einzigartige, selbst auferlegte Quote für Musik aus Salzburg sichert diese hohe Frequenz an lokalem Musikschaffen. Daneben würdigt „Hörenswert – das Radiofabrik-Album der Woche“ – regelmäßig Salzburger Silberlinge. Daraus erwächst den gespielten Bands und Musikschaffenden wie Mel, Salzburgs gefeierter Folk-Stimme, eine besondere Ehre: „Dass meine Musik auf der Radiofabrik gespielt wird, ist sehr wichtig. Der Sender bietet das größte Spektrum an Salzburger Musik. Wer da nicht dabei ist, hat verloren!“ So gehören Radiofabrik-Sessions in der Salzburger Musikszene mittlerweile zum guten Ton. Der selbstbewusste Verweis darauf erinnert bisweilen an die zahllosen, aus der „needle time“* der BBC erwachsenen Tonträger international namhafter Künstler.
Der Stellenwert von Musik kann auch bei der Programmgestaltung nicht übergangen werden. Im Rahmen der Reichweitenanalyse der Freien Radios in Oberösterreich aus dem Vorjahr, die zugleich die erste ihrer Art für Freie Radios in Österreich darstellte, rangiert die Musikauswahl für die HörerInnen als Programmelement klar an erster Stelle (62 Prozent). Dahinter folgen kritische Berichterstattung (55 Prozent) und lokale Themen (43 Prozent). Da trifft es sich gut, dass die Bandbreite und Qualität modernen Salzburger Musikschaffens in den vergangenen Jahren – wie unter anderem der jährliche Rockhouse-Sampler Xtra-Ordinary beweist – hörbar zugelegt hat. Salzburg hat eine umtriebige, bewegliche und beachtenswerte Musikszene geschaffen, ihren Klang trägt die Radiofabrik nach außen!
Zur Notwendigkeit dem lokalen Musikschaffen Zeit und Raum einzuräumen, gesellt sich für SendungsmacherInnen auch praktischer Nutzen: Freilich ist ein Gespräch mit einer internationalen Popgröße ein Leckerbissen für InterviewerInnen wie ZuhörerInnen. Ungleich naheliegender und einfacher einzufädeln ist es jedoch, jene ein Ohr zu schenken, die noch ungezwungen und ohne Schranken erzählen können. Und das über Dinge, die noch einer dem Publikum erfassbaren Welt entspringen. Die Sicherheit des „Heimspiels“ lockert die inneren Schranken hinter dem Mikrofon. „Radio ist für mich das intimste Medium, das es gibt. Bei einem guten Radiosender fühle ich mich irgendwie daheim, weil im Radio Stimmungen und Emotionen sehr gut transportiert werden können“, meint Tobi Pötzelsberger, selbst in seiner Musik dem Greifbaren und Heimischen verhaftet.
Um die Erträge heimischer Musik bzw. Musikschaffender besser abwägen und weiter ausschöpfen zu können, bietet die Radiofabrik im Herbst 2012 gemeinsam mit dem Music Information Center Austria (MICA) den Lehrgang „Gut zu hören“ an. Im Rahmen von Vorträgen und Workshops vermittelt der Lehrgang neben spezifischen Einblicken in die österreichische Musikszene und lokalen Popjournalismus auch handwerkliche Fähigkeiten in der Sendungsgestaltung sowie Tipps und Tricks zu Interviewtechnik und Moderation.
„Als Musiker ist man immer begeistert, wenn das eigene ‚Baby‘ via Äther durch die Welt geschickt wird. Dieses Gefühl wird nur übertroffen, wenn man es dann auch noch selber hört!“ meint Stootsie, nachdem er gerade der Wiederholung seiner Götterfunk-Sendung gelauscht hat. Auf der Radiofabrik, wo Salzburg gut zu hören ist.
Götterfunk Jingle 2012:
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