Auf in ein neues Jahr
Perlentaucher Nachtfahrt am Freitag, 12. Januar um 22:06 Uhr
Nachdem wir im letzten Jahr bis zur Wintersonnenwende vorgedrungen sind, jener finstersten aller Nächte, in der das Licht des Lebens zum einen verschluckt zu werden droht und zum anderen doch in seltener Klarheit vom Grund allen Seins hervor glitzert, wenden wir uns jetzt dem neuen, noch ungestalteten Jahr zu. Dem wohnt, und das ist wohl bei jedem Neuanfang so, “ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben”. So steht es geschrieben, jedenfalls bei Hermann Hesse, und dem wohnt überhaubst einiges an Wahrheit inne, liebe romantische Rebellen und alle Menschen, die hier zuhören. “Out of the Dark – Into the Light”, das ist so ein Seelenthema zwischen Weihnachten und Neujahr – und weit darüber hinaus in vielerlei Lebensaspekten.
Schon bei der Auswahl einer entsprechenden Bebilderung kamen die beiden gleichzeitig vorhandenen Aspekte der noch nicht Gestalt gewordenen, doch bereits erkennbaren Eigenheit dieses gerade erst begonnenen Jahres zur Geltung. Dazu drängte sich die gespiegelte Perspektive von feststehenden Bäumen durch bewegtes Wasser auf, Lichtspiel zahlloser möglicher Formen hinter all dem, was im Augenblick zu erscheinen scheint. Und genauso ergeht es uns auch bei der Auswahl der verschiedenen Hörbeiträge – ganz egal ob da am Fenster eine Kuh vorbeifliegt oder ob das in dem Fall Socken sind – es spielt diesmal vieles mit unserer Wahrnehmung und mit unseren Gewohnheiten, deren Befreiung aus dem unverspielt Eingekasterlten oftmals erst im surrealen Moment gelingt. Dies sollte uns aber keine Angst vor dem Verlust jeglicher Orientierung machen, zumal die ja ohnehin aus ganz anderen Erfahrungen des “am Leben Seins” gespeist wird …
Natürlich wird uns dieser Übergang von einem alten in ein neues Jahr mit unseren bisherigen Erlebnissen sowie mit dem, was wir uns wünschen und demgemäß vorhaben, konfrontieren. Und es wäre kein organischer Übergang, wenn nicht auch der Titel unserer letzten Nachtfahrt zusammen mit dem Titel der nunmehrigen einen sinnstiftenden Satz bilden könnte: “Durch die Nacht … auf in ein neues Jahr.” Vorbehaltlich dessen, was nicht in unserer Macht liegt. Das Unverfügbare ist eben unverfügbar – doch wo es beginnt und wo es endet (und ob überhaupt) – das bleibt offen. Und so schöpfen wir aus aus unseren gemeinsamen Radioabenteuern und werfen unsere Entwürfe für etwas Neues voll verwegenen Vertrauens in die Welt. Dieses noch Unbekannte, jedoch in der Rückschau auch immer schon Vorhergewusste ist unser Selbstdarleben im Zwischenreich der Gestaltwerdung. Wir balancieren auf einem schmalen Grat zwischen dem Geplanten und dem sich Ereignenden, überein Meer aus Bewusstem und Unbewusstem und aus fortwährend vom einen ins andere Übergehendem. Und wir lernen die Kunst, dies sowohl zu steuern als auch geschehen zu lassen, ohne dabei zu verzweifeln oder den Verstand zu verlieren…
Zu abgründig? Nun, wir sehen dem neuen Jahr, in das wir uns auch mit euch gemeinsam aufmachen, voller Zuversicht entgegen, dass es so gut und schön wird, wie wir es vorhaben. Es gibt keinen Unterschied zwischen Abgrund und Glückseligkeit, bloß zwei Seiten ein und desselben. Wir sind sowieso damit beschäftigt, die Welt zu reparieren, und das ist das beste Jahresmotto, das uns bislang untergekommen ist. In diesem Sinn wird es auch heuer wieder genug Platz für die widersprüchlichsten Stimmungen in unserem Radiotum geben, und wir laden euch ein, dieselben gemeinsam mit uns zu durchwandern, sie euch anzuverwandeln – und dadurch besser zu verdauen, was uns allen vollkommen zu Recht schwer im Magen liegt. Auf ein fröhliches Scheißen, möchte man da sagen. Und wer schon einmal tagelang an Verstopfung gelitten hat oder die Lebensgeschichte von Martin Luther kennt, der kann nachempfinden, was das alles mit Erlösung zu tun hat. Allen anderen wünschen wir ein erfahrungsreiches …
Ach Herrgott, jetzt zeig doch mal bitte den verschissenen Hasen!
Sendungen zum Nachhören
Jenseits von Schatten (Perlentaucher CLXVIII)
Die Schatten werden länger. Sagt man so – und passt auch in die Jahreszeit. Das hat – in unserer Außenwelt – mit dem Stand der Sonne zu tun. Wie verhält sich das hingegen mit den anderen möglichen Bedeutungen der Begrifflichkeit? Den Schattenanteilen der eigenen Persönlichkeit,…
Whatever, Anyway (Perlentaucher CLXVII)
Zwei von uns beiden besonders gern benutzte Symbolwörter. Immer dann, wenn der Redefluss ans Unendliche aussagbarer Möglichkeiten gelangt und es daher notwendig wird, dass der Gesprächspartner selbst weiterdenkt und spontan-assoziativ in die schier unerschöpfliche Welt der Wortbilder “hineingreift”, um das “hervorzuformulieren”, was immer schon im…
Zeit und Lebenszeit (Perlentaucher CLXVI)
Hast du Zeit? Anhand dieser einfachen Frage, die noch dazu in unendlichen Variationen durch unser Leben geistert, wollen wir die Beziehung des Menschen zur Zeit hinterfragen. An dem Punkt tauchen auch schon die ersten Abzweigungen im Gedankengang auf, nämlich “zur Zeit überhaupt” oder “zur eigenen…
In Between Days (Perlentaucher CLXV)
Das Dazwischen fasziniert und beschäftigt uns eigentlich schon immer, von der Zwischeninsel Poesie über das Inzwischen Unterwegs bis zu unserer Betrachtung Zwischen Leben und Überleben. Was läge also näher in diesen dazwischenen Tagen – in der Mitte des Sommers, der Ferien und der Festspielsaison –…
Poesie und Widerstand (Perlentaucher CLXIV)
Diese beiden Begriffe beschäftigen uns offensichtlich schon seit Anbeginn unserer gemeinsamen Radioarbeit. Sowohl Poesie als auch Widerstand treten immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen hervor, sowohl im Artarium als auch bei den Perlentauchern. Die Suche nach ihrem Verhältnis zueinander bildet dabei einen roten Faden, der…
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