Flüchtiges Glück im Sonnenland
Nachtfahrt aka Perlentaucher am Freitag, 14. Juli um 22:06 Uhr
Das Sonnenland ist das, was uns in der sommerlichen Jahreszeit begegnet. Glücksmomente jedweder Beschaffenheit:
Laue Nächte, Schatten unter Bäumen, Baden am Fluss, Nacktheit in der Natur, Vogelgezwitscher, Blumen, Freunde, Wind in den Haaren, Überraschendes und Vertrauen in einer warmen Welt. Beseligende Berührungen eines leichteren Lebens, die zwar befördert werden können, aber letztendlich nicht festzuhalten sind. Am Horizont ziehen die Wolken auf, die Stimmung schlägt plötzlich um, der Abschied naht – und an die Tür unserer Fröhlichkeit klopfen Sorge und Angst. Wir sind fließend und wälzen uns durch die Landschaft. Wir sind der Fluss und nehmen vieles in uns auf. Wir sind dauernd unterwegs, doch am Ende strömen wir unaufhaltsam ins Meer.
“Mach es wie die Sonnenuhr – zähl die heiteren Stunden nur.”
Für sich genommen steckt da durchaus was wahres drin. Andererseits ergibt erst das Zusammenspiel von Licht und Schatten eine Gesamtschau aufs große Ganze. Innehalten im Glück und doch um seine Vergänglichkeit wissen, das könnte uns frei machen vom anstrengenden Wegschauen und Verdrängen. Erst wenn wir die Freude wie auch die Traurigkeit in unserem Gefühlsleben stattfinden lassen, werden wir uns zu “ganzeren” Menschen entwickeln. (Naturgemäß lässt sich “ganz” nicht steigern – gemeint ist hier allerdings das Ideal von “Ganzheit”, das wahrscheinlich nie “ganz” erreicht werden kann, das es aber nichtsdestoweniger anzustreben gilt.) Wrdlbrmpfd. Jedenfalls wollen wir auf dieser Nachtreise quer durch den Gefühlegarten die Ambivalenz der Empfindungen rund ums Glück im Sonnenland und seine gleichzeitige Unverfügbarkeit darstellen. Eine Stimmungsdramaturgie aus Gedanken, Gesprächen, Musik und Literatur …
Ein gutes Abendessen gemeinsam mit lieben Menschen und wir haben das Gefühl, rundherum satt zu sein. In so einem Augenblick voll Glück und Zufriedenheit kämen wir doch nie auf den Gedanken, dass schon bald wieder Hunger, Durst und der Drang zum Stoffwechselkabinett unser Dasein dominieren könnten. Und doch ist es so. Kein halbwegs vernünftiger Mensch käme auf die Idee, den Zustand der Erfüllung nach erfolgreich gehabtem Sex dauerhaft festhalten zu wollen. Und doch gibt es eine Menge unglaublicher Trotteln, die wie hirndrogensüchtige Halbaffen mit Wahlrecht und Führerschein durch die Welt orgeln und dabei genau das versuchen: “Augenblick, verweile doch, du bist so schön.” Je mehr du im Leben einzementierst, desto weniger kannst du dich bewegen. Je mehr du zu haben versuchst, desto weniger wirst du sein. “Ich bin ein harter, viereckiger Klumpen und meine einzige Aufgabe besteht darin, auf meinem Platz zu bleiben.” So denken die humanoiden Hohlziegel der Gesellschaft.
Vieles steckt vermeintlich fest im Fluss des Lebens. Und doch birgt das bewegte Wasser in sich schon die Veränderung der Verhältnisse. Es umfließt jedes Hindernis, spiegelt das Licht – und erschließt uns (wenn wir denn mitfließen) neue Wege. Die Lebenskunst, die uns das Hiersein als Menschen abverlangt, ist nicht zu unterschätzen: Jeden Moment möglichen Glücks auszukosten, als gäbe es nichts anderes auf der Welt – und ebenso davon auszugehen, ja zu wissen, dass er höchst vergänglich ist und sogar sehr schnell wieder verwehen kann. Dies scheint zunächst eine ziemlich schwierige Aufgabe zu sein (und wer hat überhaubt gesagt, dass es leicht sein wird?), für uns ist diese Herangehensweise jedoch der Wirklichkeit am entsprechendsten. Für andere ist gerade diese Haltung (das Miteinbeziehen beider Wahrnehmungen) um jeden Preis zu vermeiden. Da stellt sich doch die Frage, wer in diesem Fall den Preis bezahlen soll. Sie selbst? Die anderen? Die Natur? Der Stoascheißer Koarl?
Memento mori, Kasperltheater!
Und einen schönen Sommer …
Sendungen zum Nachhören
Jenseits von Schatten (Perlentaucher CLXVIII)
Die Schatten werden länger. Sagt man so – und passt auch in die Jahreszeit. Das hat – in unserer Außenwelt – mit dem Stand der Sonne zu tun. Wie verhält sich das hingegen mit den anderen möglichen Bedeutungen der Begrifflichkeit? Den Schattenanteilen der eigenen Persönlichkeit,…
Whatever, Anyway (Perlentaucher CLXVII)
Zwei von uns beiden besonders gern benutzte Symbolwörter. Immer dann, wenn der Redefluss ans Unendliche aussagbarer Möglichkeiten gelangt und es daher notwendig wird, dass der Gesprächspartner selbst weiterdenkt und spontan-assoziativ in die schier unerschöpfliche Welt der Wortbilder “hineingreift”, um das “hervorzuformulieren”, was immer schon im…
Zeit und Lebenszeit (Perlentaucher CLXVI)
Hast du Zeit? Anhand dieser einfachen Frage, die noch dazu in unendlichen Variationen durch unser Leben geistert, wollen wir die Beziehung des Menschen zur Zeit hinterfragen. An dem Punkt tauchen auch schon die ersten Abzweigungen im Gedankengang auf, nämlich “zur Zeit überhaupt” oder “zur eigenen…
In Between Days (Perlentaucher CLXV)
Das Dazwischen fasziniert und beschäftigt uns eigentlich schon immer, von der Zwischeninsel Poesie über das Inzwischen Unterwegs bis zu unserer Betrachtung Zwischen Leben und Überleben. Was läge also näher in diesen dazwischenen Tagen – in der Mitte des Sommers, der Ferien und der Festspielsaison –…
Poesie und Widerstand (Perlentaucher CLXIV)
Diese beiden Begriffe beschäftigen uns offensichtlich schon seit Anbeginn unserer gemeinsamen Radioarbeit. Sowohl Poesie als auch Widerstand treten immer wieder in den unterschiedlichsten Zusammenhängen hervor, sowohl im Artarium als auch bei den Perlentauchern. Die Suche nach ihrem Verhältnis zueinander bildet dabei einen roten Faden, der…
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