Nachtfahrt Perlentaucher – Unvollendete Symphonie …
Ein wunderbares Beispiel für dieses dauerhaft Einstweilige in seinem Leben und Werk ist der Komponist Anton Bruckner. Der hat nicht nur eine unvollendete 9. Symphonie hinterlassen, nein, er bearbeitete seine Schöpfungen sogar nach ihrer Veröffentlichung beständig weiter, so dass man heute oft gar nicht mehr sagen kann, “welche” Fassung man da gerade serviert bekommt. Was für ein grandioser Lebenswitz! Das würdigen wir mit einer ebenso unvollendeten Geschichte, die nie aufgeschrieben wurde und die sich daher immer wieder vollkommen neu erzählen kann, nämlich mit “Bruckners Buchtel”. Naturgemäß wollen wir danach auch einen Ausschnitt aus dem rekonstruierten Finale der 9. Symphonie anhören. Überhaupt war Anton Bruckner viel lustiger, als uns das die “offizielle Geschichtsschreibung”weismachen will, die ihn allgemein als einen verklemmt katholischen Bierernst voll staatsamtlicher Gottesschau darstellt. Aber das ist eben auch nur eine Möglichkeit.
Nicht weniger unvollendet ist das Lebenswerk von Hans Hölzl aka Falco, den Christian Ide Hintzeeinst als Lehrer fürs Songtexten zur Wiener Schule für Dichtung holte. Letzterer lebte einen derart “weit gefassten Poesiebegriff”, dass ihm noch die versammeltenGesichtsausdrücke von Pierluigi Collina ein Gedichtzyklus waren. Jedenfalls hat er Falcos Texte als das verstanden, was sie zutiefstsind: Sehr ernst zu nehmende Dichtkunst in vollendet unvollendeter Konstruktion. Und – wie jede gute Kunst – zeitlos. Daher ebenfalls prophetisch, wie wir am Beispiel “Europa” erfahren können. Was da beschrieben wird, die unvollendete Integration, sehen wir heute um vieles deutlicher als 1995. Wie Falco es damals beschrieben hat, das erscheint uns heute hellsichtig, vorausblickend, visionär. Vergleichen wir das mit der 2014 erschienenen “Eurovision” von Laibach, so entstehen Assoziationen und Zusammenhänge, die für Personen ohne eigenes Denken nicht geeignet sind.
Wenn wir schon mit Dichtung und Wahrheit umgehen, dann soll hier auch der unvollendete Roman von Wolfgang Herrndorf gewiss nicht unempfohlen sein: “Bilder deiner großen Liebe” heißt das posthumveröffentliche Fragmentarium des legendären Autors von “Tschick”, dem wir an dieser Stelle Dirk von Lowtzow einen passenden Songnachrufen lassen. Und weil wir uns ganz absichtlich “Musikliterarische Gefühlsweltreise” nennen, wird diese Sendung in viel mehr Musik gebettet sein, als das die angeführten Empfehlungen vermuten lassen. Wobei, da wäre noch PeterLicht zu erwähnen, der auf seinem jüngsten Album “Beton und Ibuprofen” wieder ein sehr spezielles Stück “Spoken Word over Music” mit dem Titel “Lost Lost Lost World”dargereicht hat. Zu Riesen und Nebenwirkungen fragen sie ihre Maria – oder werfen sie sich ihr durch die Wand. Jetzt müsste man sich nur noch einen “weit gefassten Symphoniebegriff” zulegen – und schon geht es um jedweden “Zusammenklang”.Sind wir nicht alle irgendwie unvollendete Menschen?
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Sendungen zum Nachhören
komm mops komm (Perlentaucher CLXXXIX)
Am 1. August des heurigen Jahres hätte Ernst Jandl seinen 100. Geburtstag feiern können, wenn er nicht am 9. Juni des Jahres 2000 gestorben wäre. Sein Vermächtnis jedoch lebt in uns weiter. Sein Verständnis von Dichtkunst war wegweisend und ist es immer noch. Sein Umgang…
Listening to You (Perlentaucher CLXXXVIII)
“Listening to You” ist zuallererst ein Thema, das die Besonderheit der Radiosituation verkörpert. Erleben wir uns dabei doch einerseits als Erzählende, andererseits als Zuhörer*innen des uns jeweils Dargebrachten – je nach dem, ob wir gerade eine Sendung machen oder eine solche als Publikum zu uns…
Drawing the Line (Perlentaucher CLXXVII)
Ich sitze vor einem leeren Blatt Papier und weiß nicht mehr, was ich mit diesem Sendungstitel eigentlich vorgehabt habe: “Drawing the Line”. Und ich zeichne eine vertikale Linie, ungefähr in der Mitte des quer liegenden Blattes, von oben nach unten. Und das Bild, das ich…
nicht mehr und noch nicht (Perlentaucher CLXXVI)
Halten wir noch einmal inne auf unserem Weg – durch den Sommer, durch das Jahr, durch unser Leben. Wir sind nicht mehr dort, wo wir waren UND wir sind noch nicht da, wo wir sein werden. Wir sind da dazwischen UND wir sind unterwegs. Diese…
Endlich Sommer Unendlich (Perlentaucher CLXXV)
“Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit.” Das ist der ganze Satz hinter dem Akronym DMD KIU LIDT, einem epischen Album der von uns sehr geschätzten Band Ja, Panik. Doch was steckt hinter der Traurigkeit? Etwa die Resignation vor der Angst, schon…










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