Radio Bongo 500 revisited
Radio Bongo 500 – „Der Sender mit dem Schrei“
Seine Wurzeln hat das Freie Radio Salzburg in dem Piratenradio Bongo 500. Ab 23. November 1992 wurde einmal pro Woche montags ab 19.00 Uhr von einem der umliegenden Berge aus gesendet. Bereits am zweiten Sendetag, dem 30. November 1992, wurde mit einem Polizeieinsatz gegen die Radiomacher*innen vorgegangen: Ein 20-mannstarkes Einsatzteam beschlagnahmte eine Antenne, eine Autobatterie, Ausweise und „diverses Kleinzeug“.
Die Piratentätigkeit war, wie in den anderen Bundesländern, von Anfang an mit dem politischen Konzept der Durchsetzung von legalem Freien Radio verbunden. Unterstützt wurden die Aktivist*innen auch von Seiten der Politik. Der damalige Vizebürgermeister Johann Padutsch sprach sich sogar für einen Pilotversuch Bongo500 aus.
Im Sommer 1993 kam es zur endgültigen Beschlagnahmung des Senders, woraufhin der Radiobetrieb eingestellt wurde.
Aktivist:innen: waren u.a. der spätere Geschäftsführer Wolfgang Hirner und die heutige Linzer Universitätsprofessorin Martina Gugglberger. Die anderen Pirat:innen sind unbekannt (1).
(1) In einem Artikel des Kunstfehlers werden weitere Personen genannt, darunter die Sozialwissenschaftlerin und Bergsteigerin Ulrike Gschwandtner. Kunstfehler November 2001
Inhaltsverzeichnis
Drei historische Sendungen von Radio Bongo finden sich auf der CBA, und wurden 2008 zum zehnjährigen Jubiläum erneut ausgestrahlt.
„Am 11. November 1992 ging Radio Bongo 500 erstmals auf Sendung – in Zeiten des Rundfunkmonopols natürlich illegal. Die Aktivist*innen kamen durchwegs vom Publizistik-Institut der Uni Salzburg, den technischen Support für den Senderbau lieferten Kolleg*innen aus Wien. Pech aber auch: Gleich bei der Premieren-Sendung wurde auch der erste Sender beschlagnahmt.
In dieser Sendung wird die Idee des Freien Radios der interessierten Hörer*innenschaft näher gebracht.“
„Die PiratInnen gaben aber nicht auf, sondern sendeten munter weiter drauflos. In dieser Sendung gibt es u. a. eine Presseschau zum spektakulären Polizeieinsatz anlässlich der Premiere von Radio Bongo 500 am Gaisberg in Salzburg.“
„Radio Bongo, das Salzburger Pirat*innenradio, berichtete im Jahr 1993 anlässlich eines Radio-Treffens in Linz über die Situation von Pirat*innenradios in Österreich. Zu Wort kommen Aktivist*innen aus Innsbruck, LInz und Wien. Gestaltung: Igor“
Ausführliche Printartikel über Radio Bongo
Radio Bongo 500 – Salzburgs erster freier Sender (Blätterteig 1995)
Jimi Vogel beschreibt diese Periode im „Blätterteig“ Nr. 15, Frühjahr 1995. Der Artikel ist nur mehr im Webarchive verfügbar:
http://www.mediaweb.at/blaetterteig/bt15a9.html
Von Jimi Vogel
Nichtkommerzielles Radio – in Wien seit 1991 eine Art institutionalisierte Gegenkultur zum Angebot des ORF – findet seit vergangenem November auch in der Stadt Salzburg seine Anhänger, Kritiker und Verfolger. Rund 20 autonome Kulturschaffende errichteten eine nichtkommerzielle, unabhängige Lokalradiosstation. Gesendet wird vorerst jeden Montag ab 18 Uhr auf der Frequenz 101,7 MHz.
„Monopole sind da, um gebrochen zu werden“, so das Motto der RadiomacherInnen. Sie versuchen mit wöchentlich 30 bis 45 Minuten Alternativprogramm zum „ORF-Einheitsbrei“, eine neue Qualität in die politische und kulturelle Diskussion auf lokaler Ebene einzubringen. Das Sprektrum medial vermittelter Meinungen soll erweitert werden. Die AktivistInnen sehen ihr Radio „vor allem als ein Sprachrohr gesellschaftlich unterrepräsentierter Gruppen“.
Seit einem „überzogenen“ Post- und Polizeieinsatz am 30. November 1992 pochen die BetreiberInnen von „Bongo 500“ verstärkt auf Anonymität. Ein Großaufgebot von 30 Beamten spürte damals fünf Verdächtige am Salzburger Gaisberg auf. Sie konnten das Corpus Delicti, den Sender nicht ausfindig machen. Die Aktion entpuppte sich für die PiratInnen im nachhinein gesehen als Glücksfall. Lohn der stundenlangen Verhöre durch die Exekutive waren zahlreiche Pressemeldungen. Der Leitartikel in den Salzburger Nachrichten hatte das Projekt „Radio Bongo 500“ bereits wenige Wochen nach seiner Initiierung zu einer lokalen Berühmtheit macht.
Inhaltlich setzen die jungen RadiomacherInnen auf kritische Textbeiträge zu regionalen, politischen und kulturellen Themen. Das Musikprogramm bestreiten zum Großteil nicht-arrivierte Bands. Live Mitschnitte von Underground-Konzerten sind ebenso zu hören wie unveröffentlichte Nummern hoffnungsvoller Salzburger Nachwuchsgruppen. Technische Unzulänglichkeiten und die Hartnäckigkeit der Fernmeldeüberwachung führen dazu, daß im Schnitt jede dritte Sendung ihr Auditorium nicht oder nur teilweise erreicht. Der Ankauf eines weiteren Senders soll die regelmäßige Ausstrahlung des Programms in Zukunft sichern.
Der Salzburger Vizebürgermeister Johann Padutsch von der Bürgerliste tritt für die Tolerierung von „Radio Bongo 500“ „in einer Art Pilotversuch“ ein. Wie das nach der derzeit geltenden Gesetzeslage möglich sein kann, ist ihm unklar.
Die Frage, ob Bongo 500 bereits als Radio bezeichnet werden kann, bejaht Publizistik-Vorstand Prof. Michael Schmolke. Trotz nur einmaliger Ausstrahlung pro Woche und unterschiedlicher Empfangsqualität hätte es mit Radio „schon zu tun. Rechtlich definiert ist es Radio, sonst würde es nicht verfolgt.“ Friedrich Urban, Intendant des ORF-Landesstudios Salzburg, sieht die bisherigen Aktivitäten Bongos als „einen lustigen Spaß, der mit Radio noch nichts zu tun hat.“ Für die Zukunft prophezeit er kaum Besserung. „Es wird bei einem dualen System bleiben. Die Gruppe bräuchte Geld, um das zu ändern – sie wird aber keines bekommen.„
Die Salzburger Publizistik-Professoren Michael Schmolke und Hans Heinz Fabris fordern gemeinsam mit ihren KollegInnen am Institut „eine möglichst rasche Legalisierung der freien Radios, um der Verwaltungskriminalisierung von freier Kulturarbeit in Österreich ein Ende zu setzen.“
Radio Bongo 500 sendet weiterhin montags ab 18 Uhr auf der Frequenz 101,7 MHz. Die Fangemeinde wird immer größer. Das Salzburger „Radio der etwas anderen Art“ ist aus der lokalen Funklandschaft nicht mehr wegzudenken. Die BetreiberInnen hoffen auf die Legalisierung ihres Senders durch die angekündigte „Radioliberalisierung“. Bis dahin lassen sie sich auch von den angedrohten Geldstrafen nicht abbringen, Woche für Woche gegen das herrschende Fernmeldegesetz zu verstoßen. „Wir übertreten bewußt Gesetze, um unser demokratisches Recht auf freie Meinungsäußerung zu wahren. Das Recht, nicht nur zu empfangen, sondern auch senden zu können“, wie ein Bongo-Aktivist die Philosophie der RadiomacherInnen wiedergibt.“
Interview mit Wolfgang Hirner über „Radio Bongo“- „Count Our Culture“ – Geschichte der Salzburger Gegenkultur“, Interview Peter .W. 2006
Radiosendungen über Radio Bongo (alle CBA)
Interview mit Martina Gugglberger über Radio Bongo, „Mein Name war Wilma“ – SpaceFemFM 2013
Martina Gugglberger war engagierte Radiopiratin der ersten Stunde beim Salzburger PiratInnen_Radiosender „BONGO 500“.
Sie kramt in ihrem Erinnerungsschatz und birgt viel Interessantes …..
Sendungsgestaltung: HELGA SCHAGER
Eine historisch-pointierte Aufarbeitung von „Radio Bongo 500“ zum 10-Jahres-Jubiläum der Radiofabrik – Artarium 2008
Interview mit Wolfgang Hirner zu „30 Jahre Radio Bongo 500“ – unerhört! 17.11.2022
Weiterführende Links
- Medienberichte 1992
- Medienberichte 1993
- Flickr-Album Radio Bongo
- Presseaussendung „30 Jahre Radio Bongo 500“ (11/2022)
- Geschichte der Wiener Piratenradios (v. Alf Altendorf)
- R.A.M.S. – Radio 1991 – 93 (v. Alf Altendorf)
Artikel aktualisiert am 16.04.2023
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