Artarium – Babylon Salzburg
Sonntag, 27. Juni 2021 ab 17:06 Uhr
Zwei Musikstücke mögen unseren heutigen Ausritt in den Abgrund umrahmen: “Apocalypse or Revolution” aus dem neuen Album von Ja, Panik – und “Zu Asche, zu Staub” aus der bemerkenswertenTV-Serie “Babylon Berlin”. Dazwischen liegen knapp 100 Jahre Weltgeschehen, in denen sich zahllose Schrecknisse, Verwundungen und Überlebensreflexe zu einer epigenetischen Kakophonie ungeheuren Ausmaßes ineinander türmen. Geborgen und verfolgt zugleich versuchen wir diesen unüberschaubaren Partituren unseres Generationenlebens irgend einen Sinn zu entreißen – und uns wieder zu entdecken in den durcheinander fliegenden Fragmenten von Ursache, Wirkung und Synthese. Und scheint auch Salzburg hier (vergleichbar) banal – zum Babylon reichts allemal.
So versinnbildlicht etwa der “Turmbau zu Babel” allerorts die Großmannsucht (womit wir nicht die großartige Mechthild meinen) sondern zwanghaftes Wachstum über die Grenzen der Natur hinaus. “Babylonische Sprachverwirrung”bezeichnet die sich unvermeidlich daraus ergebende Zerstörung der “menschlichen” Kommunikation. Und mit “menschlich” meinen wir hier durchaus “menschenwürdig”. “etwas wie babel” nennt Christopher Schmall folgerichtig sein lyrisch-akustischesWork in Progress, mit dem er das Scheitern zwischenmenschlicher Sprachform erforscht, und das er über die Jahre hinweg ständig weiter entwickelt, derzeit unter Einbeziehung einiger Ausschnitte aus “Fluchtstück” von PeterLicht. Das bildet die zweite Umrahmung (womit wir nicht das Milchprodukt meinen) sondern das Gewirr von inneren und äußeren Stimmen, die uns beeinflussen, Anklage und Verteidigung im inwendigen Strafgericht wie bei “Mea Culpa” von David Byrne und Brian Eno.
Kommen wir jetzt zu einem weiteren Sinnbild: “Die Hure Babylon” illustriert ein zum nicht mehr hinterfragbaren System gewordenes “Sich prostituieren”. Sich verkaufen, die eigene Haut zu Markte tragen, sich dem Meistbietenden andienen, sich für Geld ficken lassen – der Sprichwörtlichkeiten hierzu sind einige, und wir alle wissen, was damit gemeint ist. Globale Zwangswirtschaft und Arbeitsstrichservice sind weitere Wortentwicklungen zu diesem weltweiten Machtklotz, der uns allen aufsitzt und uns innen wie außen die Türen zur Freiheit zuhält. Der Zuhälter in vielerlei Gestalten…
Den letzten Rahmen (die finale Zwiebelschicht) einer Verbindung von Ja, Panik mit Babylon Berlin muss nun ein Großmeister des Dandytums herstellen: Bryan Ferry, dessen Roxy-Music-Klassiker “Bitter-Sweet” die einst auf DMD KIU LIDT gecovert haben, und der, nunmehr gepflegt gealtert, in besagter Serie den zeitlosen Song im Stil der 20er Jahre zum Allerbesten gibt. Nur, welche Version passt in die Sendung?
PS. Wir beglückwünschen unsere wackere Kollegin Mirjam Winter (bei der wir beide das Radiomachen gelernt haben) zum Ehrenschorsch der Radiofabrik – Alles Gute!
Zur Sendungsseite: Artarium
Neueste Blogeinträge
Flowerpornoes
Artarium am Sonntag, 10. Juli um 17:00 Uhr – Ein Bandname zum Verlieben: Flowerpornoes – die logische (und durchdachte) Weiterführung von Blümchensex zum Breitwandvideo. Und ein Albumtitel, der mich auch augenblicks in seinen poetischen Bann zieht: “Wie oft musst du … Weiterlesen
The post Flowerpornoes first appeared on Artarium.
God Shave The Queen
> Sendung: Artarium vom Sonntag, 26. Juni – Der bis zuletzt ruhelose Punkdirektor in Ruhe gibt bekannt: Die sich inflationär überschlagen habende Berichterstattung zum “Diamantenen Thronjubiläum” einer gewissen Elisabeth von England war von einigermaßen nervenziehender Überdosiertheit. Rülps. Bin ich denn … Weiterlesen
The post God Shave The Queen first appeared on Artarium.
Republik der Taubheit
> Sendung: Artarium vom Sonntag, 19. Juni – “Jetzt begreif ich erst so richtig, WAS dieser Krieg in der Ukraine ist – und WIE sich das anfühlt.” Das war einer der ersten Gedanken, die in mir hervorblitzten, als ich aus … Weiterlesen
The post Republik der Taubheit first appeared on Artarium.
Florence + The Machine
> Sendung: Artarium vom Sonntag, 12. Juni – Diesmal empfehlen wir euch das unlängst erschienene Album “Dance Fever” von Florence and the Machine. Nicht alles, was international erfolgreich ist, wird von hinterfotzigen Profitalgorithmikern zurechtvermarktet und bleibt doch bloß flüchtige Behübschung … Weiterlesen
The post Florence + The Machine first appeared on Artarium.
Sendungen zum Nachhören
God Shave The Queen
Der bis zuletzt ruhelose Punkdirektor in Ruhe gibt bekannt: Die sich inflationär überschlagen habende Berichterstattung zum “Diamantenen Thronjubiläum” einer gewissen Elisabeth von England war von einigermaßen nervenziehender Überdosiertheit. Rülps. Bin ich denn der einzige, dem bei “Thronbesteigung” irgendwie anstößige Vorstellungen in den Sinn geraten? So…
Republik der Taubheit (Ilya Kaminsky)
“Jetzt begreif ich erst so richtig, WAS dieser Krieg in der Ukraine ist – und WIE sich das anfühlt.” Das war einer der ersten Gedanken, die in mir hervorblitzten, als ich aus diesem komprimierten Gefühlsfilm wieder aufgetaucht war, den die “Republik der Taubheit” von Ilya…
Florence + The Machine
Diesmal empfehlen wir euch das unlängst erschienene Album “Dance Fever” von Florence and the Machine. Nicht alles, was international erfolgreich ist, wird von hinterfotzigen Profitalgorithmikern zurechtvermarktet und ist trotzdem nur flüchtige Behübschung des Immergleichen und autogetuntes Plemplem für den Hupfzirkus der Flachbildhirne. Es handelt sich…
Ein Sackerl Gemischtes
Es gibt sehr viele sehr verschiedene Menschen auf der Welt. Und die haben oft sehr unterschiedliche Gefühlslagen und Bedürfnisse, zudem auch sehr unterschiedliche Möglichkeiten, ihr Leben auf dieser Welt zu gestalten. Ein Sackerl Gemischtes wie diese Sendung, die sich den schönen Seiten des Lebens widmet…
Alles in allem ein Arschloch
Wut ist gut und Scheiße schrein im Quetschkontext der Beherrschkultur: Jede Regierung in Form von Herrschen und Beherrschtwerden ist fortwährende Grenzverletzung. Arschloch! Wir untersuchen seine Funktion und Bedeutung für das menschliche Dasein vom Stoffwechsel über den Lustgewinn bis zur Wienerischen Mund(un)art. Sind wir im Oasch…
Lass' uns einen Kommentar da