Artarium: Der österreichische Mittagstisch
Artarium am Sonntag, 27. Januar ab 17:06 Uhr
Was genau ist ein Nazi? Und warum finden wir ihn immer in der Suppe – wie das längst sprichwörtliche Haar? Was will uns Thomas Bernhard (der Dichter) damit sagen, wenn unser Hausvater entnervt in den Suppenteller drischt und dabei “Nazisuppe! Nazisuppe!” schreit? Unter dem Titel “Der deutsche Mittagstisch” versammeln sich sieben Dramolette (Kurz- und Kürzestdramen), die allesamt das unterschwellige Weiterbestehen von nationalsozialistischer Geisteshaltung in der bundesdeutschen Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Wir erlauben uns, das titelgebende Stück daraus in einer neuen Österreich-Version vorzstellen. Ganz im Sinne seines Autors, der uns bei jedem Mittagstisch auch den braunen Sumpf unserer nazikatholischen Heimat vorsetzt.
Zumal die als Wiener Rindsuppe bekannte klare Brühe, welche das Grundrezept für die hier erwähnte Nudelsuppe ist, allgemein als die österreichische Nationalsuppe schlechthin bezeichnet wird. Von dieser ist es nur noch ein kleiner Schritt zur besagten Nazisuppe. Und die, im alpenkatholischen Weihnachtsgebräuch verbreitete Würstelsuppe als eine Steigerung der Nudelsuppe, in der die kleinen Wiaschtln herum schwimmen, bildet erst recht eine zutiefst Bernhard’sche Metapher für den abgründigen Brodeltopf des deutschösterreichischen Geisteszustands… Während einem da von der Oberfläche die offiziellen Fettaugen freundlich entgegen schmunzeln, wallt und wabert darunter im Trüben gefährlich der heimliche Untergrund. Suppe und Schund, Masse und Matsch, die tatsächliche Beschaffenheit ungaren Menschenteigs: mitläuferisch, obrigkeitshörig und fügsam. Genau da müssen wir das Dargestellte abstrahieren, wenn wir es in die Gegenwart übersetzen wollen, ins zeitlos Bleibende nichtausgestopften Lebens. Was also ist ein Nazi? Was macht die Geisteshaltung einer Gesellschaft aus, die gegen jegliche von der jeweiligen Norm abweichende Eigenart mit der dumpfen Absicht zu deren Ausmerzung vorgeht?
Dazu Thomas Bernhard (Die Ursache): “Meine Heimatstadt ist in Wirklichkeit eine Todeskrankheit, in welche ihre Bewohner hineingeboren und hineingezogen werden, und gehen sie nicht in dem entscheidenden Zeitpunkt weg, machen sie direkt oder indirekt früher oder später unter allen diesen entsetzlichen Umständen entweder urplötzlich Selbstmord oder gehen direkt oder indirekt langsam und elendig auf diesem im Grunde durch und durch menschenfeindlichen architektonisch-erzbischöflich-stumpfsinnig-nationalsozialistisch-katholischen Todesboden zugrunde.”
Sendungen zum Nachhören
Scenes from a Night’s Dream
Es geht ans Eingemachte. Aber mit Humor, das ist überlebenswichtig. Beginnen wir mit einem Urgestein der hierzulandigen Unterhaltungskunst: Lukas Resetarits, der in seinem Programm “Schmäh” einige Wirklichkeiten bis zur Kenntlichkeit entstellt. Und der endlich auch einem Grundphänomen der peinlich/lustigen Selbstäußerung den nötigen Platz einräumt: dem…
Versenkte Erinnerung
Liebe Leute! Da müht man sich jahrzehntelang herum, dass die Erinnerung ans BÜCHERVERBRENNEN nie vergessen wird, und auf ein Mal taucht (im wahrsten Wortsinn) noch ein Wahnsinn im Umgang mit unerwünschtem Gedankengut auf, das BÜCHERVERSENKEN, von den Staatsbehörden des Austrofaschismus 1934 kurz nach den Februarkämpfen…
Thomas Andreas Beck – Ernst (Album)
Seltsam, im Nebel zu stochern. Oder unter dem Teppich nachzuschauen, was da schon so lang drunter gekehrt wird. Oder doch nicht? Die Generation der Nachkriegskinder ist mit erheblichen Leerstellen im Familiengedächtnis aufgewachsen. Mit Auslassungen, Umdeutungen und Tabus in der Erinnerung. Thomas Andreas Beck allerdings macht…
Schatten über Salzburg
Der Autor, Liedermacher und Kabarettist Peter Blaikner hat jüngst “einen Roman nach einer wahren Begebenheit” mit dem Titel “Schatten über Salzburg” herausgebracht. Der bezieht sich auf eine Besetzung des Petersbrunnhofs durch Neonazis im Jahr 1993 sowie verschiedene damit in Zusammenhang stehende Ereignisse. Nachdem es uns…
Reclaim the Radio
Der ORF überschlägt sich geradezu in seiner aktuellen “100 Jahre Radio” Selbstlobinszenierung – aber unterschlägt dabei unter anderem, dass es Radio in Österreich schon seit 101 Jahren und 6 Monaten gibt. Auch wenn er das einigermaßen vorsichtig formuliert: “Der 1. Oktober 1924 gilt als die…
Lass' uns einen Kommentar da